Zwei Zentren und viel Peripherie

Bayern hat massive Probleme, heißt es in einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey – schlechte Wachstumsaussichten und hohen Anstieg der Erwerbslosigkeit. Während München und Nürnberg strahlen, wird die Provinz vernachlässigt

aus Nürnberg CORELL WEX

Heinz Kaiser schimpft. Von „massiven industriepolitischen Fehlentscheidungen“ redet er und von „regionalen Ungleichentwicklungen“ spricht der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, wenn er über die Wirtschaftspolitik der CSU redet. So produziert Oberbayern 42 Prozent der gesamten bayerischen Wirtschaftsleistung bei gerade mal rund zehn Prozent der Bevölkerung. Und daran hat sich seit Jahrzehnten nichts geändert, im Gegenteil, die Lage hat sich eher noch verschärft.

Jahrelang prahlte die CSU damit, dass Bayern das Musterland in Sachen Wirtschaft sei. Und auch im Bund müsse man sie ranlassen, damit sie die Nation auf Trab brächten. Bis das Bild Kratzer bekam: Eine eigens bestellte Studie der Unternehmensberatung McKinsey macht auf Defizite aufmerksam. Zudem wurde Bayern nur auf Platz 5 der Ländercharts der konservativen „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ verortet – nach Chartbreakern wie dem Saarland. Zwar liegt Bayern mit einem Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent klar über dem Bundesdurchschnitt, ist die Arbeitslosenrate von 6,6 Prozent nach Baden-Württemberg die zweitniedrigste und gilt die Region München als die wirtschaftsstärkste ganz Europas. Aber McKinseys Gesamteinschätzung fällt schlechter aus, als es die Bayerische Landesregierung gerne hätte.

Dies hat zwei Gründe: zum einen sehen die Berater das zukünftige Wachstum stark bedroht. Denn der starke Boom der High-Tech- und Medienindustrie in München ist mehr oder weniger zusammengebrochen. Das hat vor allem für die Arbeitslosenzahlen Konsequenzen: Hier steht Bayern mit einem Zuwachs von 16,6 Prozent seit 2000 ebenfalls an der Spitze. Zudem klafft zwischen einer Arbeitslosenquote von elf Prozent in Hof und vier Prozent in Freising eine große Lücke. Weiterhin moniert McKinsey, dass in einem keinen anderen Bundesland die regionalen Unterschiede so groß sind wie in Bayern. Während München Spitze ist, verkommen die fränkische Provinz und die Oberpfalz, egal ob es um Industrieansiedlung oder Verkehrsinfrastruktur geht. Nur Mittelfranken kann mithalten – dank des Medical Valley Erlangen, in der sich neben Siemens Medizintechnik noch andere Firmen tummeln. Kein Wunder jedenfalls, dass der Auftraggeber Bayerisches Wirtschaftsministerium die McKinsey-Studie unter Verschluss hält.

Die Wirklichkeit zeigt weitere Risse: da ist die Pleite des Filmimperiums Kirch, die endlose Geschichte der Stahlschmelze Maxhütte, die sinnlos subventioniert wurde, und die Insolvenzen von Grundig, Schneider Electronics und Fairchild Dornier, die man gerne gerade vor der Bayernwahl verhindern hätte. Überall hatte sich die bayerische Regierung über die Landesentwicklungsbank mit Milliardenkrediten engagiert – und muss nun bluten. Dazu kommt noch der Skandal um die Wohnungsbaugesellschaft LWS.

Zudem hat mittlerweile auch die Finanzpolitik einige Probleme. Nachdem man bis 2001 Überschüsse produzieren konnte, traf die New-Economy-Krise das Bundesland hart. Vor allem der Börsenabsturz riss Löcher in die Kasse, denn fast fünf Milliarden Euro aus den Privatisierungserlösen wurden einseitig auf von Stoiber definierte Zukunftsbranchen verteilt.

Die so genannte High-Tech-Offensive verstärkt daher das Missverhältnis zwischen den Regionen. Rund 39 Prozent der staatlichen Mittel zur Förderung von Technologie wurden im Zeitraum von 1998 bis 2001 in Oberbayern eingesetzt, lediglich 6,3 Prozent in Oberfranken. Stoiber spalte Bayern, sagt die SPD. Das dahinter stehende Politikkonzept sieht so aus: Man konzentriert sich auf die Wachstumspole, die Peripherie soll durch den so genannten Sicker-Effekt etwas mitkommen.

Die Zentren der Entwicklung im Falle Bayerns sind der Großraum Nürnberg-Erlangen-Fürth und vor allem München. So sollen die beiden Flughäfen ausgebaut werden, um die Wirtschaftsleistung zu fördern. Und die Deutsche Bahn plant, Augsburg und Regensburg vom IC abzuhängen. Stattdessen wird gerade die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Nürnberg und München neu gebaut. Und nicht zufällig ist das größte bayerische Unternehmen Siemens hauptsächlich in den beiden Metropolen vertreten. Vom Ziel einer gleichmäßigen regionalen Entwicklung hat sich die CSU längst verabschiedet.