szenenapplaus: skitchen
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Nachfolgende Generationen haben es nicht leicht, sich Nischen zu suchen, in denen für sie noch was drin ist. Der achtjährige Sohn meiner Nachbarin fragte mich neulich, ob er mit mir skitchen könne. „Keine Ahnung“, sagte ich. „Was soll das sein?“ Er erklärte: „Ich skate und halte mich bei dir hinten am Gepäckträger fest.“ Zu meiner Zeit haben wir das auch gemacht. Mit Rollschuhen. Heute kann daraus eine ganze Freizeitindustrie wachsen. Skitchen ist sogar weiter verbreitet, als man glaubt. Just wurde das Wort vom Beziehungsskitchen erfunden: von A. nach C., von G. nach H., von P. nach S., von T. nach O. Tina zum Beispiel hat es drauf. Sie schwingt sich von einem Lover zum anderen, nutzt den Schwung des Verliebtseins voll aus, driftet auf hohem Glückshormon-Pegel durchs Leben. Stellen sich ihre Lover an, treten Konflikte auf, weil sich der Projektionspartner als Mensch zu verstehen gibt, dessen Schattenseiten sichtbar werden, verdunkelt sich ihr sonniges Gemüt, und sie skitcht an den Gepäckträger des nächsten Partners. Auf diese Weise verliert sie kaum an Drive. Verkehr gibt es genug und von der Überholspur muss sie auch nicht runter. Diese Technik ist nicht geschlechtsspezifisch. Sven oder Torsten können das auch. Oft ist anfangs unklar, ob die Erwählte nicht doch durch Berg und Tal mit ihnen fahren will. Skitchen ist natürlich schneller. Eigentlich geht es nur bergab. Man muss niemand näher kennen lernen, man skitcht einfach davon und beschleunigt umso mehr. Straßenlage, Street-Credibility und Tieferlegung der Umstände machen die Skitcher zu 600 PS-Monstern, die eine Menge Unheil im Verkehr anrichten, aber ungemein anziehend wirken: Seltsam magnetisch geradezu.

CARSTEN KLOOK