DIE MILITÄRVERFAHREN IN GUANTÁNAMO BESTÄTIGEN ALLE BEFÜRCHTUNGEN
: Ein Triumph für al-Qaida

Guantánamo steht seit dem Afghanistankrieg als Synonym für die Abschaffung wesentlicher Grundrechte im Rahmen des so genannten Kriegs gegen den Terror. Heute beginnen dort die ersten US-Militärverfahren gegen mutmaßliche Al-Qaida-Terroristen. Die Umstände, unter denen sich die vier Männer ihren Richtern stellen müssen, bestätigen alle Bedenken gegenüber dem Militärgericht. Die einzige – wenn auch nicht ganz unwesentliche – Veränderung gegenüber den von Bush vor knapp drei Jahren angekündigten Verfahren: Sie sind nicht streng geheim, sondern finden unter den Augen von Beobachtern statt, etwa auch Vertretern von Menschenrechtsorganisationen – wenn das Gericht nicht gerade der Meinung ist, dass in den Verfahren sicherheitsrelevante Themen zur Anhörung kommen.

Alle anderen Kritikpunkte jedoch bleiben, insbesondere die übermächtige Rolle der Exekutive: Die Angeklagten sind de facto von oberster Stelle aus vorverurteilt – „extrem gefährlich“ nannte sie Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, „Killer“ der Präsident selbst. Weisungsgebundene Militärs haben die Menschen in Afghanistan gefangen genommen, Militärs bewachen sie in Guantánamo, Militärs formulieren die Anklage, Militärs stellen – wenn überhaupt – die Verteidiger, Militärs sprechen die Urteile, ohne Berufungsmöglichkeit. Und selbst wenn die Angeklagten freigesprochen werden sollten, können sie unbefristet in Haft gehalten werden, wenn die Exekutive weiterhin der Meinung ist, sie stellten eine Gefahr dar. Unter Haftbedingungen im Übrigen, die ihresgleichen suchen: Acht Monate lang befand sich einer der Angeklagten in Isolationsgefangenschaft, bei immer wieder angesetzten Verhören von bis zu 15 Stunden Dauer. Manche der jetzt Angeklagten hatten seit Monaten keinen Kontakt zu ihrem Anwalt, andere haben gar keinen. Kurz: Mit Rechtsstaatlichkeit haben die Militärverfahren nichts zu tun.

Die Versicherungen der US-Regierung, die kritische Öffentlichkeit werde schon merken, dass es sich um faire Prozesse handele, bleiben unglaubwürdig. Wäre es so, warum sollten die Verfahren dann nicht vor normalen US-Geschworenengerichten stattfinden? Wenn die Beweise gegen die Angeklagten eindeutig sind, dann sollte auch dort eine Verurteilung möglich sein. Wenn es diese Beweise nicht gibt, müssen sie freigelassen werden. Es ist wahrlich kein Zeichen von Souveränität, dass so simple Grundsätze nicht mehr gelten sollen. Wenn es al-Qaida wirklich um die Zerstörung westlicher Werte geht, ist Guantánamo für sie ein triumphaler Erfolg. BERND PICKERT