„Danke für die Sicherung“

Vor zehn Jahren wurde die zweite Version des „Schrei“ gestohlen – und wieder gefunden

STOCKHOLM taz ■ Munch, Picasso, Rembrandt, Gaugin, Goya. Die Liste der Künstler, deren Bilder in den letzten zwei Jahrzehnten aus norwegischen Museen verschwunden sind, ist lang. Auch der „Schrei“ war vor zehn Jahren schon einmal dabei. Aus der Osloer Nationalgalerie wurde am 12. Februar 1994 eine Fassung, die 1893 parallel mit der aus dem Munch-Museum entstanden war, geraubt. Damals wartete ganz Norwegen auf die Eröffnung der Winterolympiade in Lillehammer. Wenige Stunden vorher, um 6.30 Uhr, stiegen zwei Personen mit einer 3,5 m langen Leiter durch ein zerschlagenes Fenster in die Nationalgalerie ein und kamen 50 Sekunden später auf dem gleichen Wege mit dem „Schrei“ unter dem Arm wieder zurück, um in einem Mercedes zu verschwinden. Spurlos. Eine sofortige Fahndung blieb erfolglos. Es gab nämlich nicht mehr allzu viel Polizeibeamte in Oslo, die meisten waren zum Olympiaeinsatz abkommandiert worden.

Anstelle des „Schrei“ hatten die Diebe eine Postkarte mit einigen lachenden Männern gehängt und der Aufschrift: „Danke für die schlechte Sicherung“. Mithilfe von verdeckt arbeitenden Agenten der Kunst- und Antiquitätenspezialeinheit von Scotland Yard kam die norwegische Polizei zwar auf die Spur des Gemäldes, das drei Monate später, am 11. Mai, auch wieder an seinen Platz gehängt werden konnte. 3 Millionen Kronen (umgerechnet rund 362. 000 Euro) wollten die Diebe für das von Sotheby’s damals auf mehr als den hundertfachen Wert geschätzte Bild haben. Doch den „Schrei“ fand man vor einer Geldübergabe. Vier Personen, die Kontakt mit Polizei und Agenten aufgenommen hatten, wurden angeklagt, aber mangels Beweisen freigesprochen. Einer wurde wegen Hehlerei verurteilt.

Es brach eine heftige Debatte darüber aus, wie sicher eigentlich in Norwegen derartige Kunstwerke aufgehoben sind. Schon 1982 waren gleich acht bekannte Gemälde aus der Nationalgalerie gestohlen worden. Zwei bzw. drei Jahre später tauchten sie in Deutschland und Österreich wieder auf. „Lösegeld“ soll angeblich nicht bezahlt worden sein. Angeklagt hatte man damals sieben Italiener und einen Deutschen, mehrere von ihnen mit Verbindungen zur religiösen Sekte „Ananda Marga“. Eine Täterschaft konnte allerdings keinem nachgewiesen werden. REINHARD WOLFF