8.500 Fragen und noch keine Antwort

Die Aktion Mensch erklärt Berlin zur Stadt der 1.000 Fragen – und will zum Philosophieren über Bioethik anregen

Wir alle sind gefragt. Nicht nach irgendetwas, sondern „nach den Grundlagen unseres Zusammenlebens“. So sagt es zumindest Heike Zirden, Pressesprecherin der Aktion Mensch und Leiterin des 1.000-Fragen-Projekts. Seit Oktober 2002 stellte die Initiative öffentlich Fragen rund um die Bioethik.

Unter www.1000fragen.de hatte das Projekt ein Internetforum eingerichtet. Die Macher zogen gestern eine erste Zwischenbilanz – und präsentierten eine schwergewichtige Sammlung: In einem 900 Seiten dicken Buch sind alle 8.500 im Internet gestellten Fragen abgedruckt.

Hinzu kommen einige Antworten und ein Teil der 35.000 hinterlassenen Kommentare. Gleichzeitig erklärten sie Berlin zur „Stadt der 1.000 Fragen“. Unterschiedliche Veranstaltungen – verteilt in der ganzen Stadt – sollen ab Donnerstag bis zum 24. September das Thema publik machen. Ausgewählte Fragen sollen etwa ans Brandenburger Tor projiziert werden, andere werden auf der Abschlusskundgebung im Deutschen Historischen Museum szenisch dargestellt (siehe Kasten). „Erstens wollten wir einen breiten Meinungsbildungsprozess anstoßen. Zweitens wollen wir behinderten Menschen Gehör verschaffen“, sagt Dieter Gutschick, Geschäftsführer der Aktion Mensch. „Außerdem soll eine neue Nachdenklichkeit in die Diskussion gebracht werden.“ Für diese Projektziele sei das Internet das ideale Medium.

Der Erfolg gibt der Initiative Recht. Seit Oktober haben eine halbe Million Menschen die 1.000-Fragen-Homepage angeklickt. Die ersten 1.000 Fragen – in der Art „Bin ich noch ich, wenn ich ein Klon bin?“ – waren innerhalb von drei Wochen gestellt. „Wir haben zwar eine Notwendigkeit für dieses Projekt gesehen, aber unterschätzt, dass es in weiten Teilen der Bevölkerung ein echtes Bedürfnis gibt, sich öffentlich zu ethischen Fragen zu äußern“, so Gutschick. Pressesprecherin Zirden ergänzt: „Die Fragen und Kommentare hatten meistens ein hohes Niveau. Das ist erstaunlich, denn die Hälfte der Fragesteller war sehr jung.“

Durch das altmodische Medium Buch wollen die Initiatoren eine breitere Zielgruppe erreichen – etwa ältere Menschen, die das Internet meiden. „Auch Menschen, die wenig Zeit haben, soll das Buch ansprechen – Politiker zum Beispiel.“ Zur Erinnerung: Das Buch hat 900 Seiten.

Ein Plädoyer für oder gegen Bioethik wird man in dem 19,90-Euro-Werk aber genauso vergeblich wie auf der Internetseite suchen. „Wir haben zwar eine Meinung zu dem Thema, in diesem Fall wollten wir aber bewusst nur Moderator sein“, sagt Zirden.

Und weil es so unendlich viel mehr Fragen gibt als nur 1.000, wird die Initiative auch nach dem 24. September weitergeführt. In der Hoffnung, irgendwann Antworten zu bekommen. Von denen, die am Ende auch über diese Fragen entscheiden müssen. HBR, RN