Oder geht womöglich den Bach hinunter

Umweltschützer kritisieren, Polen baue die Oder illegal aus. Die deutschen Behörden reagieren bisher aber nicht

BERLIN taz ■ Nur noch wenige erinnern sich an das Oderhochwasser, die „Jahrhundertflut“ der Elbe hat die Bilder längst verdrängt. Dabei war auch 1997 der Schaden immens: 3,5 Milliarden Euro. Weite Teile von Polen, Tschechien und Brandenburg standen unter Wasser. Damals waren sich alle einig: Eindeichungen, verengte und begradigte Flüsse ließen dem Wasser keinen Raum. Doch nach sieben Jahren spielt das offenbar keine Rolle mehr. Derzeit wird die Oder zwischen Hohensaaten und Bielinek von polnischer Seite aus ausgebaggert.

„Um für die Schifffahrt bessere Fahrverhältnisse zu schaffen, werden seit Juli sowohl neue Buhnen angelegt als auch naturbelassene Ufer begradigt“, sagte gestern Umweltschützer Winfried Lücking vom BUND Brandenburg. Eine Hochwassergefahr sei so nicht mehr auszuschließen. Da die deutsch-polnische Grenze die Oder teilt, seien beide Staaten betroffen. Die Umweltschützer sind auch deshalb besonders verärgert, weil es sich um ein Naturschutzgebiet handelt. „Stoppt den illegalen Ausbau!“, forderte Lücking die deutschen Behörden auf.

Die Wasserbauverwaltung in Polen kann die Aufregung nicht verstehen. Für sie handelt es sich nur um eine „Unterhaltungsmaßnahme“. Diese diene dazu, den Zustand von vor der Flut wiederherzustellen. Eine ältere Luftaufnahme des Gebietes beweist laut BUND jedoch, dass es sich um einen Ausbau handelt. Für die Arbeiten sei aber weder ein Bauantrag noch eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgt. Selbst bei „Unterhaltungsmaßnahmen“ müssten in einem Naturschutzgebiet die Auswirkungen vorab geprüft werden.

Die zuständigen deutschen Behörden, das Wasser- und Schifffahrtsamt Eberswalde und das Landesumweltamt (LUA) Brandenburg, sind über die Vorgänge informiert, unternehmen aus BUND-Sicht aber „nichts“. „Da werden – geduldet von deutschen Behörden – Fakten geschaffen“, so Lücking. Seine Vermutung: Die Brandenburger wollen, dass die südlich gelegene Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße für die Küstenschifffahrt ausgebaut wird. Da der Kanal in die Oder mündet, macht das aber nur Sinn, wenn die Polen mitziehen. Die wiederum haben aber nur wenig Interesse an der Wasserstraße, weil sie eine Verbindung zum Schwedter Hafen darstellt. Und dieser könnte dem polnischen Stettin zu große Konkurrenz machen. Carsten Linke vom LUA erklärt, dass es mit Polen zwar Absprachen nach dem Hochwasser gegeben habe, jedoch nicht über Art und Umfang der Arbeiten. Die derzeitigen Maßnahmen an der Oder gingen aber über das hinaus, was das Umweltamt für richtig halte. Das LUA bemühe sich derzeit um Klärung. Das Brandenburger Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumplanung stand für eine Anfrage nicht zur Verfügung. FRANZISKA DÄHN