“Die road map hat innere Logik“

Der Israeli Professor Yair Hirschfeld ist zuversichtlich: „Wir sind heute, obschon wir uns gegenseitig erfolgreich umbringen, einem Abkommen näher als je zuvor“

taz: Professor Hirschfeld, Sie gehören zu den Initiatoren der Osloer Geheimverhandlungen, sind der erste Israeli, den der designierte palästinensische Premier Achmad Kurei persönlich kennenlernte. Erinnern sie sich an ihre damaligen Bedenken?

Hirschfeld: Wir waren damals in einem echten Dilemma. Wir wussten, dass das offene Ende des Prozesses Schwierigkeiten mit sich bringen muss. Aber wir konnten nicht alle Fragen sofort lösen. Ich fuhr schon einen Monat nach der Unterzeichnung nach Tunis, um mit Arafat einen vorbereitenden Dialog über die Endphase zu beraten. Im Sommer 1994 hatten wir ein Rahmenkonzept. Premier Rabin kündigte 1995 an, dass er die Endverhandlungen innerhalb eines Jahres anstrebe. Am 4. November 1995 wurde er erschossen. Ich bin davon überzeugt, dass ohne den Anschlag alles anders gekommen wäre.

Glauben Sie, dass der Versuch des späteren Premiers Barak, ein Gesamt-Friedenspaket zu versuchen, sinnvoller gewesen wäre?

Später ist man immer schlauer, aber grundsätzlich würde ich heute sagen, dass ein Gesamtpaket richtig ist, wobei berücksichtigt werden sollte, was für die andere Seite tragbar ist. Was im Anschluss an die Osloer Vereinbarungen grundsätzlich schiefgelief, ist der forcierte Siedlungsbau. 1993 gab es 90.000 Siedler im palästinensischen Gebiet, heute sind es 230.000. Oslo strebt eine Zwei-Staaten-Lösung an. Siedlungen haben hier nichts zu suchen.

Wo würden Sie bei den Palästinensern kritisieren?

Es gab zwei schwere Unterlassungsfehler. Arafat hat, anstatt nationale Institutionen aufzubauen, den Laden wie ein schlechteres Geschäftsunternehmen geführt. Das werden ihm historisch die Palästinenser nicht verzeihen. Der zweite Unterlassungsfehler ist, dass er sein eigenes Volk nicht auf den Frieden vorbereitet hat.

Hat die Intifada, die auf beiden Seiten schlimme Opfer forderte, die Völker friedenswilliger gemacht?

Ich glaube, dass wir uns insgesamt dramatisch in Richtung zweier Staaten voranbewegt haben. Vor zehn Jahren war es kaum möglich, in Israel überhaupt die Option zweier Staaten in den alten Grenzen zu diskutieren. Heute spricht Scharon selbst vom Ende der Besatzung. Ähnliches passiert auf palästinensischer Seite. Seit Oslo sind drei neue Dokumente formuliert worden, die entscheidend für den Fortgang der Verhandlungen sind: Die Clinton-Vorschläge vom September 2000, die saudi-arabische Initiative im Frühjahr 2002, und die „road-map“, ein Drei-Stufen-Plan, der über sehr viel innere Logik verfügt. Mit all dem würde ich sagen, dass wir heute - obschon wir uns gegenseitig erfolgreich umbringen - einem Abkommen näher sind als je zuvor.

Auch mit Arafat?

Mit oder ohne ihn.

Die israelisch Regierung sagt immer, sie habe keinen Partner für den Frieden. Hätte umgekehrt Achmad Kurei mit der heutigen israelischen Regierung einen Partner?

Von der „road-map“ ausgehend, glaube ich dass Scharon in den ersten zwei Stufen ein Partner sein kann. Es geht zunächst darum, die Region zu stabilisieren und intensive Verhandlungen aufzunehmen sowie in der zweiten Phase, ein staatliches Modell in provisorischen Grenzen zu ermöglichen. Wenn wir erst einmal so weit sind, ist der Weg zu einer endgültigen Konfliktlösung unaufhaltbar. INTERVIEW: SUSANNE KNAUL