Gewerkschaften sagen Blair den Kampf an

Großbritanniens Gewerkschaften verurteilen den Irakkrieg und reagieren zunehmend gereizt auf New Labour

DUBLIN taz ■ Sie mögen sich nicht sonderlich. Das Verhältnis zwischen der Labour Party und den Gewerkschaften ist längst nicht mehr so innig, wie es war, als Labour noch nicht regierte. Auf dem Gewerkschaftskongress, der vorgestern Abend im südenglischen Seebad Brighton endete, verurteilten die Delegierten einstimmig den Krieg gegen Irak. Mehrere Gewerkschaftsbosse forderten sogar den Rücktritt von Premierminister Tony Blair.

Tony Woodley, Chef der Transportarbeitergewerkschaft, empfahl Blair, sich bei der Bevölkerung zu entschuldigen: „Wir müssen sicherstellen, dass solche illegalen und ungerechten Kriege nie mehr geführt werden können.“ Sein Kollege Bob Crow fügte hinzu: „Blair hat uns in einen Krieg für Öl getrieben, und er hat uns mit den Massenvernichtungswaffen belogen.“ Fawzi Ibrahim, der jetzt bei einer Nachwahl gegen einen Labour-Kandidaten antritt, sagte: „Blairs Lügen haben das Leben dutzender britischer Soldaten und tausender Iraker gekostet.“

Auch bei anderen Themen ist die Kluft zwischen New Labour und den Gewerkschaften größer geworden. Dave Prentis, Generalsekretär von Unison, sagte: „Diese Woche hat die Beziehungen nicht verbessert.“ Was die Privatisierung öffentlicher Dienste und die Reform des Gesundheitswesens angehe, gebe es nicht die geringste Einigkeit. Labour will „foundation hospitals“ einführen: Krankenhäuser, die bisher besonders effizient arbeiteten, sollen größere Autonomie erhalten. Die Leitung der Hospitäler darf Angestellte übertariflich bezahlen, Geld von Banken leihen und die Einnahmen aus dem Verkauf von Land behalten. Gesundheitsminister John Reid bot den Gewerkschaftern an, den Begriff „foundation hospitals“ zu verändern, wenn sich Leute daran stoßen sollten. „Ich habe einen Vorschlag, John“, höhnte Prentis. „Sei ehrlich und nenne sie private Krankenhäuser.“

Schatzkanzler Gordon Brown warnte in seiner Rede vor überhöhten Lohnforderungen. Die Regierung werde keinesfalls nachgeben und den Inflationsdruck erhöhen. Am Abend erklärte Blair den Gewerkschaftsbossen bei einem privaten Dinner, dass sie nicht auf einen Linksruck der Partei hoffen können. Was er allerdings genau sagte, war auch gestern noch umstritten. Blair hatte den Medien zuvor eine Kopie zukommen lassen, in der er der „extremen Linken“ den Kampf ansagte. „Die Vorstellung einer linken Labour-Regierung als Alternative zu einer gemäßigten und progressiven Regierung ist die fortdauernde Täuschung der letzten hundert Jahre unserer Partei“, stand darin.

Die meisten Gewerkschafter, die beim Dinner dabei waren, versicherten, Blair habe von alledem nichts gesagt. Sie warfen ihm vor, den Medien in der schriftlichen Version einen Konfrontationskurs gegen die Linke vorzugaukeln, während er in Wirklichkeit eine stark abgemilderte Rede gehalten habe. Die Zeiten politischer Taschenspielertricks seien offenbar längst nicht vorbei, so der linke Generalsekretär der Beamtengewerkschaft Mark Serwotka. Er versprach Blair einen turbulenten Labour-Parteitag Ende September. RALF SOTSCHECK