berliner szenen Call-Center-Consulting

Wir können alles

„Markennamen haben eine große Macht über die Menschen!“ Schulungsalltag im Call-Center der Firma Lilienstein Consulting. Der unheimliche Chef mit dem wächsernen Gesicht bittet die jungen Minijobber in einen Raum, um sie auf die Corporate Identity des Hauses einzuschwören. „Denken Sie nur an Persil, Coca-Cola oder Odol – solche Markennamen prägen nicht nur den Markt, sondern geradezu die Kultur! Deswegen haben auch wir uns sehr genau überlegt, welchen Namen wir unserer Firma geben sollen!“

Wichtigtuerisch malt er eine rote Lilie auf die Papiertafel. „Und denken Sie beim Telefonieren immer daran: Nicht im Konjunktiv reden! Wir machen das, was wir versprechen, wirklich! Wir können alles!“ Der Germanist ist erstaunt. Nun hat er ein Headset auf dem Kopf und ist ein Agent der Outbound-Telefonie! Um ihn herum sitzen Schülerinnen, die allen Ernstes behaupten, sie wollten später einmal gerne „in einer PR-Agentur“ arbeiten. Verwundert über so viel Bereitschaft zur Selbstversklavung wählt er müde die Nummer eines Autohauses in Spandau – fest entschlossen, den ganzen Tag nur noch im Konjunktiv zu reden. Hier geht es darum, Termine für Managergespräche zu arrangieren, wie der Büroleiter des Telefonierteams, Gregor Knallmeister (Theologe, 33), sanft erklärt. Auf einer Tafel verrät eine Strichliste, welcher Angestellte am Tag die meisten Termine abgemacht hat. Merkwürdigerweise gewinnen die Mädchen mit dem härtesten Berliner Akzent. Wahrscheinlich, weil sie überhaupt nicht wissen, was ein Konjunktiv ist. Am nächsten Morgen legt Herr Knallmeister sachte die Hand auf die Schulter des Germanisten und sagt: „Du kannst gehen. Und brauchst nicht wiederzukommen“. JAN SÜSELBECK