Der Traum vom Leben ohne Zwang ist aus

Dreieinhalb Wochen lang bastelten die BesetzerInnen am Eifelplatz an ihrer Vision von einer anderen Welt. Gestern früh wurde das Gelände von der Polizei geräumt und Köln ist wieder ohne Soziales Zentrum. Und Klaus der Geiger würde am liebsten auf der Stelle woanders ein neues Haus besetzen

VON Dirk Eckert
und Ruth Helmling

Der Pinguin hängt zwar noch an seiner Leine, aber sonst ist am Eifelplatz nichts mehr, wie es war. Gestern früh bereitete die Polizei „Pingutopia“, wie das besetzte Haus am Eifelplatz von seinen Besetzern liebevoll genannt wurde, ein jähes Ende.

Pinguine können doch fliegen, wollten die Aktivisten mit der Wahl ihres Maskottchens sagen. Gestern Morgen war der Flug zu Ende. Gegen 6.30 Uhr brach die Polizei die Tür des Hauses auf, das für über drei Wochen Kölns einziges Soziales Zentrum war. „Ich bin von dem Alarm aufgewacht. Der ging immer wieder und war furchtbar laut“, erzählt eine Besetzerin und zeigt auf die Tröte, die der besetzereigene Wachdienst „so um Viertel nach sechs“ geblasen hat. „Ich saß in der Küche und hab mir ne Zigi gedreht“, erinnert sich ein anderer. „Dann kamen sie plötzlich die Treppe hoch und haben immer wieder gesagt, in die Zimmer rein, in die Zimmer rein.“ Er schüttelt den Kopf. „Tausend Mal haben sie das wiederholt.“ Überhaupt seien es viel zu viele Polizisten gewesen. „Fünfzig hätten doch auch gereicht.“

Die Tür sei zwar verbarrikadiert gewesen, aber mit „technischen Mitteln“ sei das dann doch sehr schnell gegangen, erzählt Polizeidirektor Udo Behrendes. Die Grundstückseigentümerin habe beim Landgericht einen gerichtlichen Räumungstitel erwirkt. Der werde nun vollstreckt, rechtfertigt er die „Zwangsräumung“. Auf dem Gelände soll eine Wohnanlage entstehen. Eine Genehmigung der Stadt für den Abriss liegt vor, sagt Behrendes.

Widerstand von den rund 40 Besetzern habe es nicht gegeben, berichtet die Polizei. Sie habe lediglich die Personalien fest gestellt. Mitgenommen wurden demnach nur diejenigen, die sich nicht ausweisen konnten. Zwei Jugendliche seien dem Jugendamt übergeben worden. Gegen die Besetzer wird nun wegen Hausfriedensbruchs ermittelt, gegen einige von ihnen auch wegen Sachbeschädigung und Diebstahl.

Gleich nach der Räumung begannen, von der Polizei geschützt, die Abbrucharbeiten auf dem 20.000 Quadratmeter großen Gelände, zu dem neben dem Haupthaus auch eine Schrebergartenkolonie gehört. Schon am späten Vormittag waren von den teils massiven Gartenhäusern nur noch Schutthaufen übrig. Auch das besetzte Haus sollte noch im Laufe des Tages zumindest unbewohnbar gemacht werden. Insgesamt sollen sich die Abrissarbeiten über drei Wochen hinziehen. Den Besetzern blieb nichts übrig, als von weitem, hinter der Polizeisperre, zuzuschauen.

Vorgestern saßen sie noch alle im Garten unter der selbstgebauten Pergula, erzählten von der Fahrradwerkstatt, die jetzt eigentlich eröffnet werden könnte, und von den Anwohnern, die man ins Soziale Zentrum einbinden wolle. Hausbesetzeridylle eben: Die einen lagen im Garten auf den Sofas und blinzelten müde in die Sonne, nebenan legte jemand orientalische Musik auf, dazu übten drei Frauen Bauchtanz. Alle anderen waren unterwegs, Essen holen oder arbeiten. „Es wäre eine Schande, wenn man das Paradies hier abreißen würde“, meinte noch jemand. Gerade erst hatte man einen Umsonstladen eingerichtet, in dem Dinge, für die niemand mehr Verwendung hatte, getauscht werden konnten. Und für morgen hatte man Irakerinnen eingeladen, die in dem Sozialen Zentrum über die Lage von Frauen in ihrer Heimat berichten sollten.

Nun sitzen die Besetzer auf der Straße. Die Polizei erlaubt ihnen immerhin, ihre persönliche Habe aus dem Haus zu holen. Sie habe noch Blumenkästen da, spricht eine Frau Polizeidirektor Behrendes an. „Kann ich mir die noch holen?“ Darf sie, die Polizei lässt sogar einen Wagen der Sozialistischen Selbsthilfe Köln (SSK) in den Hof. So können die Besetzer Kisten mit Kleidern, Farben, Pinseln, Bier und Essen wegschaffen. „Wenn Sie die Lebensmittel nicht mitnehmen, geben wir das an die Kölner Tafel weiter“, sagt Behrendes zu einer schwarz gekleideten Frau mit Pinguin-Ansteckern auf dem T-Shirt.

Die Aktivistin hat noch ein anderes Anliegen: Sie hat mehrfach Fledermäuse auf dem Gelände gesehen. Jetzt bemüht sie sich, jemanden vom Naturschutzbund oder Umweltamt zu holen, der feststellen könnte, ob die Tiere vielleicht geschützt seien, so dass nicht abgerissen werden könnte. Behrendes gibt sich großzügig. Klar könne sie das versuchen, der Experte müsse nur schnell kommen. Die Bauarbeiten anhalten will er nicht.

„Jedenfalls sind wir mit heiler Haut davongekommen“, kommentiert einer der Besetzer die Räumung. Etwas resigniert wirken die meist jungen Leute dann doch, als sie dem Abbruch zusehen müssen. Immerhin hätten sie Öffentlichkeit für das Gebäude und für die Idee des Sozialen Zentrums hergestellt, meint einer. „Da sind Leute hin gekommen, die du sonst nie in einem Autonomen Zentrum antreffen würdest.“ Und Spaß gemacht habe es jeden Tag. Das Beste dabei? Dass es keinen „Zwang wie in der Gesellschaft gab, sich anzupassen. Alle wurden gleich behandelt.“

Einer, der den Abriss vom Eifelplatz aus verfolgt, ist Klaus der Geiger. Zwei Mal war er in den letzten Wochen im Sozialen Zentrum aufgetreten. „Kaum kommen die Jungen mal auf gute Gedanken, kriegen sie einen über den Schädel“, ärgert er sich über Polizei und Eigentümer. Eigentlich müsste das alte Haus mit seinen Schrebergärten denkmalgeschützt sein, findet er. „Für diese Kaputtmacherei werden Steuergelder verschwendet.“ Bei der Solidemo am Abend will er auf jeden Fall dabei sein. „Wenn es nach mir geht, sollten wir direkt wieder ein Haus besetzen.“