Arbeitsplatzabbau für Extraprofite

Die Ankündigung des Shell-Konzerns, seine Raffinerien in Harburg und Heide abzustoßen und 180 Arbeitsplätze aus der Hamburger Zentrale nach Krakau zu verlagern, bringt die Hamburger und Kieler Landesregierung ins Rotieren

Die Ankündigung löste hektische Betriebsamkeit aus. Noch am Montagnachmittag, kurz nachdem sie die Hiobsbotschaft erhalten hatten, machten sich der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und sein Wirtschaftsminister Werner Marnette (beide CDU) spontan auf den Weg nach Heide. Es galt, sich bei der Shell-Geschäftsführung und dem Betriebsrat aus erster Hand über die erst wenige Stunden zuvor bekannt gewordenen Pläne zu informieren, die Heider Raffinerie abzustoßen. Und nicht nur sie.

Die Shell-Manager Peter Seifried und Agnus Cassens hatten am Montagmittag auf zwei Betriebsversammlungen verkündet, der Konzern wolle sich sowohl von der Anlage in Heide wie auch von der Raffinerie in Hamburg-Harburg möglichst schnell trennen. In beiden Anlagen verarbeiten jeweils 570 Beschäftigte jährlich rund 5 Millionen Tonnen Rohöl. Beide Betriebe arbeiteten bislang hoch rentabel, passen aber nicht mehr in das „strategische Konzept“ des Mineralöl-Konzerns. Das setzt auf Zentralisierung und große Anlagen. Kleinere Raffinerien wie in Heide und Harburg sollen abgestoßen werden.

Carstensen und Marnette ließen nach ihrer Visite in Heide keinen Zweifel daran, dass der Verkauf nicht mehr zu stoppen ist. Es müsse nun darum gehen, „den Verkaufsprozess konstruktiv zu begleiten, um alle direkten und indirekten Arbeitsplätze langfristig zu sichern“, sagte Carstensen, der sich in Schadensbegrenzung übt, während Marnette bereits um Käufer wirbt. Die Heider Raffinerie sei eine überaus moderne und profitable Anlage, in die in den letzten Jahren erheblich investiert worden sei, lobte der Minister und ergänzte: „Wir werden einem neuen Investor allerbeste Standortbedingungen anbieten.“

Die Shell-Geschäftsführung hatte zuvor klar gemacht, dass auch eine Schließung der Raffinerien möglich sei, sollte sich kein geeigneter Käufer oder Partner finden, mit dem die Betriebe in einem Joint Venture weitergeführt werden könnten. Zumindest die Raffinerie in Heide scheint jedoch unentbehrlich; dort wird das Rohöl aus dem größten deutschen Ölfeld Mittelplate verarbeitet. Dieses Öl müsste aufwendig zu einer entfernteren Raffinerie transportiert werden, wenn es nicht mehr in Heide verarbeitet werden könnte.

Überrascht zeigte sich Hamburgs Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU) von den Shell-Plänen. Er will – gemeinsam mit seinem schleswig-holsteinischen Amtskollegen – auf den Shell-Vorstand „zugehen“ und ein „kritisches Gespräch“ führen, wie er sagte. Gedaschko fürchtet, dass die Shell-Pläne Signalwirkung haben könnten. Baut ein Konzern trotz schwarzer Zahlen Arbeitsplätze ab oder verlagert sie ins Ausland, könnten sich schlechter gestellte Konkurrenten ermutigt sehen, nachzuziehen.

Immerhin, frohlockte Gedaschko, habe er von Shell die Zusage in der Tasche, dass keine Arbeitsplätze in der Hamburg-Fuhlsbüttler Shell-Zentrale abgebaut würden. „Sehr wundern“ würde ihn eine solches Versprechen, sagte hingegen Shell-Sprecher Axel Pommeränke. Gegenüber der taz bestätigte Pommeränke, dass Shell auch 180 Arbeitsplätze der Auftragsabwicklung seiner Zentrale ins polnische Krakau verlagern will. Die schrittweise Verlagerung werde 2010 beginnen. MARCO CARINI