Leitmotiv: Gott

Spirituelle Musik des 20. Jahrhunderts: Morgen beginnt mit Glockengeläut das vierte Hamburger Musikfest neuer Zeitrechnung

Zur Eröffnung des ersten Hamburger Musikfestes 2000 ließ der Komponist Manfred Stahnke eine Reihe von Alsterdampfern auffahren, die, mit musizierenden Blaskapellen bestückt, die Binnenalster zum Konzertsaal umfunktionierten und die Relativität der Zeit veranschaulichen sollten. Damit wurde dem Musikfest ein inhaltliches Fundament geschaffen, das mittlerweile über die Grenzen Hamburgs hinaus bekannt ist: es gilt – auch Dank des Engagements von Festivalleiter Ingo Metzmacher – als innovativ, experimentell, grenzüberschreitend und – vor allem – ist an ein bestimmtes Thema gebunden.

Das scheint nichts Neues, kennt man doch von anderen Festivals Länderthemen oder epochale Begrenzungen. Doch hier ging und geht es um mehr: „Zeit“, „Musik als Zeugnis“ oder „Welt-Raum“, und in diesem Jahr, als Gipfel der spirituellen Auseinandersetzung mit Musik: „Gott“. Schon beim offiziellen Beginn am frühen Freitagabend hat der – indirekt – die Finger im Spiel. Für Calling, wiederum von Manfred Stahnke, werden die Glockentürme des Michels, der Katharinen-, der Jacobi- und der Petrikirche für eine halbe Stunde musikalisch in Kontakt treten. Übertragen wird das Glocken-Spektakel in die Hamburger Musikhalle – die passende Einstimmung für das anschließende Konzert der Bang on a Can All-Stars, bekannt für ihre Mischung aus Avantgarde, Populärem und virtuoser Kammermusik. Religiöses bleibt dabei eher außen vor: „Wir glauben an unsere Musik“, heißt das Glaubensgeständnis der Musiker.

Doch wie sich die internationalen Künstler in den unbiblischen neun Tagen bis zum 20. September in mehr als 25 Veranstaltungen mit ihrem Leitmotiv auseinander setzen, bleibt gleichwohl ebenso individuell wie spannend. Steve Coleman, mit seinen Five Elements ein Jazz-Geheimtipp im Festprogramm, hat seine eigene Philosophie über Gott und Musik: „Was mich am meisten anzieht, ist Musik, mit der ich Bilder und Prozesse der Natur – das Universum – assoziiere.“

Auch die Hamburger Orchester zeigen ihre Bandbreite an zeitgenössischem Repertoire: Unter der Leitung von Zoltán Pesko spielt das NDR-Sinfonieorchester Werke des Miniaturendichters György Kurtág, von Luigi Dallapiccola und György Ligetis atmosphärischen Hit Lux Aeterna. Die Hamburger Symphoniker untermalen Paul Wegeners Stummfilm Der Golem (1920) mit 1977 eigens dazu komponierter Musik von Karl Ernst Saase. Und das Philharmonische Staatsorchester Hamburg unter Ingo Metzmacher bildet mit drei Orchesterwerken, die auf religiöse Texte zurückgreifen, den Abschluss: Gottesfurcht fand in die Sinfonie Nr.3 Jesus Messias. errette uns! von Galina Ustwolskaja Eingang, die Schuldfrage wird in der ecclesiastischen Aktion Ich wandte mich um und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne von Bernd Alois Zimmermann thematisiert. Und schließlich – in Olivier Messiaens Et expecto resurrectionem mortuorum – die Erlösung .

ISABEL GASZNER

12. bis 20. August; Infos und Programm: www.hamburger-musikfest.de