Kanal im Donaudelta bedroht Reservat

Ein Bauprojekt am Schwarzen Meer sorgt für Ärger zwischen Deutschland und der Ukraine. Der Bundeskanzler ist ebenso dagegen wie Rumänien. Das stört die Ukraine aber nicht. Gebaggert wird trotzdem – von einem deutschen Unternehmen

AUS ODESSA RALPH AHRENS

Ein von der Ukraine im Donaudelta geplanter Kanal hat für Streit zwischen der deutschen und der ukrainischen Regierung gesorgt. Es sei „unverantwortlich“, dass mit dem Bau begonnen worden sei, ohne die Auswirkungen auf die Umwelt angemessen zu prüfen, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) während seines Besuchs in der rumänischen Hauptstadt Bukarest. Damit stützte er die Kritik der rumänischen Regierung an dem Bauvorhaben nahe der rumänischen Grenze unterstützt. Schröder sei „nicht gut informiert über dieses Projekt, das von seinen Landsleuten umgesetzt wird“, konterte darauf Wassil Basiwein von der Präsidialverwaltung in Kiew.

Anlass für den Schlagabtausch sind die Pläne für den neuen Bytroye-Kanal, der die Fahrt zum Schwarzen Meer verkürzen und Jobs und Geld in die arme Region im Donaudelta spülen soll. Bereits seit Mai baggert ein Schiff der Hamburger Baufirma Möbius einen flachen Seitenarm der Donau zu einem Kanal aus. Dazu sagte Schröder, die Bundesregierung habe keine Möglichkeit, ein Privatunternehmen von der Annahme eines solchen Auftrags abzuhalten.

Das Problem: Der Kanal führt mitten durch das ukrainische Biosphärenreservat Donaudelta, den nördlichen Teil des 417.800 Hektar großen Donaudeltas. Dort im größten Feuchtgebiet Europas finden Störe Laichplätze und Rosa Pelikane eine Zuflucht, auch Wandervögel wie die seltenen Rotwangengänse überwintern hier oder nutzen das Delta zur Rast auf ihren Wegen zwischen Afrika und dem Norden.

„Der Kanal kann das sensible Ökosystem im Delta aus dem Gleichgewicht bringen“, fürchtet zum Beispiel Ulrich Eichelmann vom World Wilde Fund for Nature (WWF) in Österreich. Weil die Fahrrinne bis zu 8 Meter tief werden soll, „wird sie viel Wasser von angrenzenden Flächen abziehen, die dann trocken fallen“. Und da die Donau reichlich Sedimente mit sich trägt, muss der Kanal jedes Jahr neu ausgebaggert werden. Mit dem ruhigen Leben für Schwalben, Pelikane und Fische ist es dann endgültig vorbei. Auch die EU-Umweltkommission sorgt sich um das Biosphärenreservat und beschwerte sich bereits in Kiew, ebenso wie auch die USA.

Doch die ukrainische Regierung stört das offenbar wenig. Und das, obwohl internationale Abkommen, denen die Ukraine beigetreten ist, eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung vorschreiben, wenn nationale Projekte sich auf andere Länder auswirken. „Das ukrainische Umweltministerium behauptet einfach, es gebe keine grenzüberschreitenden Auswirkungen“, so Andriy Andrusevych von der Bürgerrechtsorganisation Ecopravo in L’viv (Lemberg). Zudem sei die Organisation der Auffassung, dass das Ausbaggern illegal sei.

Ukrainische Richter prüfen zurzeit, ob das stimmt. Denn Ecopravo ficht vor Gericht gegen ein Dekret von Präsident Leonid Kutschma vom 10. Juni 2003. Mit diesem Dekret entfernte Kutschma den Seitenarm mit schnellem Federstrich aus dem Biosphärenreservat. Das heißt, nach ukrainischen Recht braucht die Öffentlichkeit nicht mehr angehört zu werden.

Andrusevych will das nicht hinnehmen: „Wir haben das Recht, unsere Meinung zu sagen, und der Staat hat die Pflicht, unsere Argumente zumindest in Betracht zu ziehen.“ Er verweist darauf, dass die Ukraine das Århus-Abkommen ratifiziert hat, in dem Mindeststandards für Bürgerrechte wie die Beteiligung an Genehmigungsverfahren festgeschrieben werden.

Unerwünschte Meinungen können in der Ukraine jedoch immer noch zu Schwierigkeiten führen. Das spüren etwa die Organisationen „Umwelt- und Kulturzentrum“ aus Kiew und „Donau Biosphärenreservat“ aus Odessa, die wie Ecopravo versuchen, die Bauarbeiten noch zu stoppen. Sie werden auf Anweisung des Innenministeriums unter die Lupe genommen. Ihr „Vergehen“ ist, dass sie ihre Kampagnen mit ausländischem Geld finanzieren.

Andriy Andrusevych stellt klar, dass „keine Umweltorganisation in der Ukraine aus Prinzip gegen eine bessere Verbindung zum Schwarzen Meer ist“. Die Regierung habe aber den aus ökologischer Sicht schlechtesten Weg gewählt – mitten durch eine intakte Naturlandschaft.