Kahlschlag im Berliner Baumschutz?

Nächste Woche wollen der Senat und die Bezirke über eine mögliche „Entschlackung“ der Berliner Baumschutzverordnung diskutieren. Baumfreunde befürchten das große Motorsägen-Massaker. Liberalisierer wollen die Bürokratie entlauben

von DINAH STRATENWERTH

Ein regelrechter Baumkrimi ereignete sich diesen Sommer am Glienicker See: Ende Juli kippten Unbekannte einen Giftcocktail aus Pflanzenschutzmitteln und Diesel auf die Wurzeln einiger Erlen am Seeufer. Der See musste für eine Woche gesperrt und die 20 betroffenen Bäume gefällt werden. Die Vermutung einiger Anwohner, dass Villenbesitzer die Erlen vergifteten, um freie Sicht auf den See zu haben, lag nahe.

Die Baumaffäre vom Glienicker See ist nur ein Beispiel, wie sich die seit 1961 existierende Baumschutzverordnung umgehen lässt. Denn was den Baum schützt, kommt manchem Bauherren ungelegen. Haus und Grund Berlin, die Dachorganisation der Berliner Privateigentümer, bezeichnet die Verordnung naturgemäß als „ideologisiert“. Sie stamme aus einer Zeit, so der Sprecher Dieter Blümmel, als „das ganze Land grün überzogen werden sollte“. Nach einer Novellierung im vergangenen Jahr soll die Berliner Baumverordnung jetzt erneut geändert werden. Blümmel meint, dass die Vorschriften in keinem Verhältnis mehr zu normaler Baumpflege stünden. Der Fraktionsvorsitzende der Berliner FDP, Martin Lindner, schlug daher im Juni dieses Jahres vor, die Verordnung gänzlich abzuschaffen, da im Naturschutzgesetz schon ein ausreichender Baumschutz gewährleistet sei.

Der Senat stimmt dem grundsätzlich zu. Die Bestimmungen zu vereinfachen, hält Stadtentwicklungs-Sprecherin Petra Reetz für notwendig. „Wir sind grundsätzlich für eine Baumschutzverordnung, aber es muss Schluss sein mit der Überregulierung“, erklärt sie. Nadelbäume wie etwa Kiefern bedürfen ihrer Meinung nach keines Schutzes. An einem Baum einen Ast abzusägen, dürfte nicht mehr mit solch großem bürokratischem Aufwand verbunden sein, ist die Forderung des Senats.

Auch auf Bezirksebene arbeiten die Baumschutzsachbearbeiter daran, die Verordnung zu entbürokratisieren. Elke Hube, Leiterin des Naturschutz- und Grünflächenamtes Spandau, meint, die Verordnung müsse „entschlackt“ werden. Insbesondere bei Nadelbäumen könne es großzügiger hergehen. Sie fallen bei Stürmen eher um und müssen daher häufig abgesägt werden. „Manche Leute fühlen sich von den Bäumen zudem regelrecht bedroht“, erzählt Hube. Die Grünflächenämter sind wegen des großen Sturms im Juni noch immer überlastet. Wäre nicht für jeden Eingriff an einem Gartenbaum eine Genehmigung fällig, hätten sie weniger zu tun.

Die Baumschutzsachbearbeiter fordern außerdem, dass der Wert eines Baumes sich nach seiner ökologischen Qualität und nicht nach seinem Preis berechnet. Bisher richten sich Ersatzpflanzungen nach den Preiskatalogen der Baumschulen.

Hildegard Niederehe von der Berliner Arbeitsgemeinschaft Naturschutz will die Baumschutzverordnung hingegen so lassen, wie sie ist. Probleme durch Stürme oder Verdunkelung von Wohnungen könnten verhindert werden, meint sie. „Das ist alles eine Sache der Planung. Wenn ich mir in zwei Metern Abstand eine Fichte vors Haus pflanze, muss ich mich nicht wundern, dass es dunkel ist.“ Sie hält auch nichts davon, den Schutz für Nadelbäume aufzuheben. Sie befürchtet, dann gehe das große Holzen los und würde das Stadtbild verändern. Am kommenden Montag treffen sich erstmalig die Vertreter von Senat und Bezirken, um ihre Ideen zu diskutieren. Dann will der Senat dem Abgeordnetenhaus Vorschläge zur Änderung der Baumschutzverordnung vorlegen. Naturfreunde wie Hildegard Niederehe hoffen, dass alles beim Alten bleibt, denn: „Jeder Baum ist besser als kein Baum.“