Patientenvertreter leidet an Aphonie

Gesetzesentwurf für Gesundheitsreform sieht keine unabhängige Kontrolle des Gesundheitswesens mehr vor. Auch das „Zentrum für Qualität in der Medizin“ wird von Kassen und Ärzten betrieben werden. Morgen berät der Bundestag

BERLIN taz ■ Der im Zuge der Gesundheitsreform vorgesehene „Patientenbeauftragte“ der Bundesregierung erhält keinerlei konkrete Mitspracherechte. Das geht aus dem 472 Seiten starken Entwurf für das „Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung“ hervor, auf den sich SPD, Union und Grüne geeinigt haben. Heute beraten die Fraktionen über den Gesetzestext, am Dienstag findet dann die erste Lesung im Bundestag statt.

Bei den Strukturreformen im Gesundheitswesen hat sich die CDU/CSU damit weitgehend durchgesetzt. In dem Gesetzentwurf wurden auf Druck der Union sämtliche Mitsprache-, Anhörungs- und Antragsrechte des Patientenbeauftragten gestrichen. Nun soll dieser lediglich „darauf hinwirken, dass die Belange von Patientinnen und Patienten berücksichtigt werden“. Im Arbeitsentwurf des Sozialministeriums war noch eine Beteiligung des Patientenvertreters an allen relevanten Gesetzesvorhaben vorgesehen gewesen. Auch das geplante „Zentrum für Qualität in der Medizin“ wird nicht unabhängig sein, sondern der Selbstverwaltung von Ärzten und Kassen unterstehen. Zudem soll das Zentrum nur den Nutzen, nicht aber die Kosten neuer Medikamente prüfen. Letztlich wird auch das Vertragsmonopol der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) nicht so stark aufgebrochen, wie von der Regierung geplant.

Der Zahnersatz wird ab 2005 wie geplant aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen ausgegliedert. Die Versicherten müssen dann obligatorische Sonderpolicen abschließen. Die gesetzlichen Kassen legen dafür einen einheitlichen Tarif fest, der voraussichtlich um die sechs Euro betragen wird. Familienmitglieder bleiben beitragsfrei versichert. Nach einem Wechsel in die private Krankenversicherung ist eine Rückkehr in das gesetzliche System nicht mehr möglich.

Künftig erhalten Patienten für den Zahnersatz einen Festzuschuss von 50 Prozent. Dieser Zuschuss ist „befundorientiert“ und deckt die medizinisch für notwendig erachtete Regelversorgung ab. Kosten durch weitergehende Behandlungswünsche trägt der Versicherte selbst. Bei „eigenen Bemühungen zur Gesundhaltung der Zähne“ steigt der Zuschuss auf 65 Prozent, wenn der Versicherte in den vorangegangenen fünf Jahren regelmäßig beim Zahnarzt war.

Auch bei den Zuzahlungen müssen die Patienten künftig tiefer in die Tasche greifen. So werden künftig beim Arztbesuch zehn Euro Praxisgebühr pro Quartal fällig. Der Besuch beim Zahnarzt ist dadurch aber nicht abgedeckt und kostet alle drei Monate noch einmal zehn Euro.

Grundsätzlich müssen die gesetzlich Versicherten in Zukunft zwischen fünf und zehn Euro zu allen medizinischen Leistungen beitragen. Auch ein Krankenhausaufenthalt kostet in den ersten 28 Tagen zehn Euro pro Tag. Anders als vorgesehen gilt die Begrenzung der Zuzahlung auf 28 Tage nun auch für die häusliche Krankenpflege.

Der maximale Eigenbeitrag der Versicherten beträgt zwei Prozent ihres Bruttoeinkommens. Für Sozialhilfeempfänger gibt es keine Sonderregel. Bei chronisch Kranken liegt diese Belastungsgrenze bei einem Prozent, falls sie einmal jährlich bei der Krankenkasse ihre Dauerbehandlung nachweisen. Allgemein können die Kassen den Versicherten einen Bonus einräumen, wenn diese regelmäßig an Programmen zur Früherkennung von Krankheiten oder zur Prävention teilnehmen. Durch die Reformen soll der Beitragssatz in die gesetzlichen Kassen von derzeit 14,3 Prozent auf 12,15 Prozent im Jahr 2006 sinken. ANDREAS SPANNBAUER