Kein Hungerstreik Suu Kyis

In Birma können Mitarbeiter des Internationalen Roten Kreuzes die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi im Gefängnis besuchen und eine Stunde lang mit ihr sprechen. Ein von der US-Regierung lancierter Bericht erweist sich als falsch

aus Bangkok NICOLA GLASS

Birmas Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi befindet sich nicht im Hungerstreik. Das erklärten Vertreter vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes am Samstag in Birmas Hauptstadt. Sie hatten von der Militärjunta die Zusage bekommen, die inhaftierte Friedensnobelpreisträgerin zu besuchen. Die Frage, ob sie im Hungerstreik sei, habe Suu Kyi klar verneint. „Sie ist bei guter Gesundheit“, erklärte Rotkreuz-Sprecher Jean-Pascal Moret in Rangun. „Zwei unserer Mitarbeiter waren eine Stunde lang bei ihr.“ Das Rote Kreuz bestätigte damit ursprüngliche Angaben der Militärjunta. Rund 100 Anhänger Suu Kyis sollen Berichten zufolge aber gestern im Zentrum Ranguns für ihre Freilassung demonstriert haben. Sie zerstreuten sich, ehe Sicherheitskräfte einschreiten konnten.

Die Nachricht über den angeblichen Hungerstreik Suu Kyis hatte vor gut einer Woche das US-Außenministerium lanciert. Sie habe diesen begonnen, um damit gegen ihre „illegale Inhaftierung durch das Militärregime“ zu protestieren. Man habe „glaubwürdige Berichte“ erhalten, so die USA ohne Angabe einer Quelle. Die Junta bestritt dies und beschuldigte Washington, Nachrichten zu manipulieren. Selbst die Opposition, Suu Kyis „Nationale Liga für Demokratie“ (NLD), hatte sich skeptisch gezeigt und erklärt, nichts über einen Hungerstreik zu wissen.

Die US-Meldung kursierte pikanterweise einen Tag nach der Rede des neuen Premiers Khin Nyunt, in der er einen vermeintlichen Fahrplan für politische Reformen angekündigt hatte. Einen Zeitpunkt für die Freilassung Suu Kyis nannte er aber nicht. Sie war am 30. Mai nach Auseinandersetzungen zwischen NLD-Anhängern und Junta-Gefolgsleuten im Norden Birmas verhaftet worden. Laut Anhängern der Demokratiebewegung haben juntanahe Schläger die blutigen Krawalle provoziert.

In Zusammenhang mit der erneuten Festnahme Suu Kyis war die Nachricht über ihren angeblichen Hungerstreik nicht die erste Fehlinformation. Augenzeugen berichteten damals, die Oppositionsführerin sei an der Schulter und im Gesicht verletzt worden und habe stark geblutet. Doch der malaysische UN-Sondergesandte für Birma, Razali Ismail, der die 58-Jährige nach tagelangem Nervenkrieg am 10. Juni besuchen durfte, traf Suu Kyi unverletzt an. Bei den Gewalttaten Ende Mai wurden nach neuesten Angaben etwa 100 Menschen getötet, berichtete jetzt der US-Sender Radio Free Asia. Augenzeugen sprachen bisher von rund 80 Toten. Die Junta, die versucht hatte, den Vorfall herunterzuspielen, bezifferte die Toten lediglich mit 4.

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