„Verspielte Musik mit Seele“

Von der Geschäftsfrau zur DJane: Die indischstämmige Ma Faiza aus London legt ihre Mischung aus Trance, Bhangra und Bollywood-Musik mittlerweile weltweit auf

taz: Du bist das Gegenteil von dem, was deine Eltern wollten: Du bist groß und kräftig, hast eine tiefe Stimme, bist lesbisch und verdienst dein Geld mit Plattenauflegen statt als Rechtsanwältin. Ist das für sie eine Katastrophe?

Ma Faiza: Klar, ihnen ist vieles ein Dorn im Auge. Sie wollten, dass aus mir ein gutes englisches Mittelklassemädchen wird, aber sie sind stolz auf meine Stärke und tolerieren mein Leben.

Du nennst dich eine indische Frau, obwohl deine Eltern in England alles Indische abgelegt haben. Wie hast du zu deinen Wurzeln zurückgefunden?

Ich habe mich immer indisch gefühlt. Schon als Kind schaute ich begeistert Bollywood-Filme. Die Schauspieler waren meine Idole. Als ich meine Firma gründete, trat das alles in den Hintergrund. Ich verdiente ein Schweinegeld. Und ich muss sagen: Ich habe es geliebt. Als ich dann bankrott war und meine Freundin mich verließ, musste ich meine Leben total neu strukturieren. Ich verlor 40 Kilo, verliebte mich wieder, jobbte als Putzfrau und Babysitter und kam im Club Megatripolis mit Trance in Berührung. Dort machten wir Musik, bauten Trommeln und verkauften sie. 1994 fuhr ich das erste Mal nach Indien und beschloss ein Jahr später, dort zu leben. Dieser Schritt hat mein Leben verändert.

Fühlst du dich instrumentalisiert, wenn du in Clubs in Deutschland, Israel, Ibiza, Portugal und Griechenland auflegst?

Manchmal schon. Denn viele Leute, die in die Clubs kommen, kennen zwar die Filme wie „Monsoon Wedding“ und „Kick It Like Beckham“, aber das war’s dann auch schon. Sie stehen auf diesen ganzen Indien-Trash, den du gerade kaufen kannst. Sie haben im Radio DJ Panjabi gehört und wollen, dass ich ihn an einem Abend mindestens fünfmal spiele. Für mich ist das harte Arbeit.

Von der Geschäftsfrau zur DJane, ein krasser Schritt. Wie geht das?

In Goa habe ich viel Chill-out-Musik gehört und mir selbst Musik gemixt. Die harte, psychedelische Musik, die alle hörten, fand ich schrecklich. Als Leute meine Musik hörten, sagte sie: „Wow, überspiel uns das mal!“ Ich fing an, CDs zusammenzustellen und aufzulegen. Seit zwei Jahren bin ich weltweit unterwegs

Gibt es Unterschiede zwischen deinem englischen und deutschen Partypublikum?

In England kannst du progressivere Musik spielen als in Deutschland. Was die indische Kultur anlangt, gehen wir damit sehr viel selbstverständlicher um, weil wir ja eine indische Community haben mit eigenen Stadtteilen und sogar indischem Fernsehen. In Deutschland gibt es zwar auch schon Leute, die andere Musik kennen als nur die von DJ Panjabi. Aber für die meisten musst du seine Musik auflegen, sonst tanzen die nicht. Im Berliner Club Deewane im Oxymoron, wo ich demnächst auflege, wird auch Break Beat, Oriental und Fusion gespielt. Schließlich kann man nicht den ganzen Abend nur Bollywood-Musik hören.

Und in Indien?

Dort lege ich natürlich nicht so viel Bollywood-Musik auf. Das wäre, wie wenn man in Deutschland nur Schlager spielen würde. Außerdem gibt es in Indien eine Schicht, die reich, jung, trendy und open-minded ist. Die wollen meine Musik, eine Mischung aus Trance, Chill-out und meditativen Klängen. Ich habe sogar 50-jährige Geschäftsleute, die ganz scharf auf meine Compilations sind.

Warum sind indische Musik und Kultur derzeit so beliebt?

Ich glaube, die Leute wollen nach den Jahren mit harter Technomusik gerne mal wieder etwas positivere und verspieltere Musik hören – was mit Seele. Das hat viel mit der Besonderheit der indischen Kultur zu tun: Sie ist voll Leidenschaft, farbenfroh und so würzig wie unsere Speisen. Außerdem hat sie neben Wohlgerüchen und Schönheit Spiritualität zu bieten …

die uns fehlt?

Ja, der weißen Rasse fehlt die Tiefe. Als du vorhin die Treppe raufkamst, konntest du die Räucherstäbchen schon von weitem riechen. Das sind eben doch andere Gerüche als zum Beispiel der nach Sauerkraut, der dich an deine Jugend erinnern wird. Indische Kultur weckt eben viel mehr Assoziationen: Familie, Frieden, Einfachheit. Danach suchen doch die Menschen – hier und auf der ganzen Welt.

Hast du eine Botschaft?

Ja, ich versuche, die Leute mit meinen Vibes ins Herz zu treffen. Wenn ich auflege, katapultiere ich die Leute nach Indien. Das macht mich glücklich.

INTERVIEW: KATJA WINCKLER