Design im Fünferpack

Vom Bauhaus- zum Werkbund-Archiv: Fünf Institutionen widmen sich in Berlin der Schönheit der Formen. Dabei stehen historische Gestaltungen gegenüber zeitgenössischen Trends im Vordergrund

von MICHAEL KASISKE

Ob der Berliner Finanzsenator glauben würde, dass Design in dieser Stadt ein verbreiteter Gegenstand institutioneller Arbeit ist? Wenn auch die Menschen nicht so geschniegelt und gebügelt das Straßenbild bevölkern wie vielleicht in Mailand, viele Berliner Gestaltungen sind international anerkannt. So erstaunt es auf den ersten Blick auch nicht, dass gleich fünf Institutionen sich den schönen Formen widmen: das Kunstgewerbemuseum, das Internationale Design Zentrum, das Werkbund-Archiv, das Bauhaus-Archiv und die Berliner Dependance des Vitra Design Museums.

Das Kunstgewerbemuseum nimmt darunter als Teil der Stiftung Museen Preußischer Kulturbesitz die ehrwürdigste Stellung ein und ist darüber hinaus auch eine der ältesten Sammlungen seiner Art in Deutschland. In ihren Räumen lässt sich europäisches Kunsthandwerk aller Epochen nach der Antike finden: Gebrauchsgüter und Schmuck, Kleidung und Möbel.

Die Auftraggeber dieser Sachen sind vornehmlich vergangene Königs- und Fürstenhäuser sowie die freien Handelsstädte gewesen. Was aktuelle Formgebung betrifft, wird Zurückhaltung bewahrt. Schließlich soll die mit dem Titel Museum verbundene Kompetenz nicht verspielt werden, indem wohlfeil PR betrieben wird, gerade in Zeiten der Abhängigkeit von Sponsoren. Neben der wie immer mangelnden finanziellen Ausstattung hat das Kunstgewerbemuseum auch mit seinem unattraktiven Gebäude am Kulturforum ein schweres Los gezogen. Lange schon wünscht man sich, die Stiftung würde sich aufraffen und einen Wettbewerb für die Innenraumgestaltung ausschreiben. Leider wird wohl nichts daraus werden, solange die Museumsinsel ausgebaut wird.

Die Direktorin, Angela Schönberger, war übrigens zuvor Leiterin des Internationalen Design Zentrums. Der besser als IDZ Berlin bekannte Verein entstammt wie das Werkbund-Archiv und das Bauhaus-Archiv den Bewegungen der 1960er-Jahren. Obwohl unterschiedlich ausgerichtet, ist die Auseinandersetzung mit der profanen Kultur allen dreien gemein.

Das IDZ versteht sich als Vermittler zwischen Wirtschaft und Gestaltung, der 1968 vom Gestaltkreis im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) initiiert und vom damaligen Wirtschaftsminister Karl Schiller maßgeblich gefördert wurde. Die erste Ausstellung „Design-Umwelt wird in Frage gestellt“ hatte programmatisch einen sowohl an professionelle als auch interessierte Öffentlichkeit gerichteten Charakter, der typisch für das Wirken des IDZ wurde.

Seit einiger Jahren sitzt das IDZ in der Oberbaumcity und versucht, dort einen Brennpunkt des Designs zu etablieren. Leider entwickeln die ein wenig zu glatt sanierten Industriebauten keine wirklich anregende, lebendige Atmosphäre. Vielleicht würde das IDZ gut daran tun, alternative Kommunikationsformen zu fördern, die der Bedeutung von Gestaltung in einer ökonomisch stagnierenden Zeit angemessen sind. Immerhin kann der Verein auf eine langjährige Kompetenz verweisen, die mit dem gerade in Arbeit befindlichen Verzeichnis Berliner Designer unterstrichen wird.

Das Werkbund-Archiv hingegen widmet sich der gesellschaftlichen Aufklärung. Der Nachfolger des im Krieg untergegangenen alten Archivs des Werkbunds verfolgt über die Dokumentation hinaus das Ziel, „die Geschichte und Ästhetik der Gegenstände der Massenproduktion zu erforschen und Brüche in der Alltagskultur des 20. Jahrhunderts sichtbar zu machen.“

Die ersten konkreten Schritte zur Gründung gingen um 1970 von Diethart Kerbs und Jonas Geist aus, die seinerzeit die Einrichtung einer Bibliothek zu den Lebensreformbewegungen der Jahrhundertwende planten. Mit dem 1973 gegründeten unabhängigen Verein entstand das Verständnis von einem „kulturhistorischen Museum, das von seiner Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit mit ihren designhistorischen, technikhistorischen, mentalitätsgeschichtlichen, sozialhistorischen, kunsthistorischen, wahrnehmungsgeschichtlichen Aspekten“ viele Richtungen verfolgt. Der Umzug 1986 in den Martin-Gropius-Bau festigte schließlich den Charakter einer dauerhaften Sammlung, weswegen man sich im Untertitel dann auch „Museum der Alltagskultur im 20. Jahrhundert“ nannte.

Auch das Interessensfeld des Bauhaus-Archivs lässt sich schon mit seinem Namen eingrenzen: Geschichte und Wirkungen der gerade einmal von 1919 bis 1933 existierenden Schule für Architektur, Design und Kunst werden hier präsentiert. Die ursprüngliche Intention des Kunsthistorikers Hans M. Wingler bei der Gründung 1960 war, den in Folge des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs verstreuten Bauhäuslern zumindest einen ideellen Ort der Zusammenkunft zu geben. Mit Unterstützung des damals noch lebenden Bauhaus-Gründers Walter Gropius wurde ein Grundstock gelegt, der auch durch zahlreiche Nachlässe auf die weltweit umfangreichste Sammlung zum Thema „Bauhaus“ angewachsen ist. Zunehmend widmet sich das „Museum für Gestaltung“ neben den vom Bauhaus beeinflussten Nachfolgern wie die Hochschule für Gestaltung in Ulm auch den aktuellen Fragestellungen zur zeitgenössischen Architektur und zum Design.

Was ist Gestaltung im 21. Jahrhundert? Diese Frage unterlegt in Berlin vor allem das Wirken der Dependance des Vitra Design Museums, die 2000 ihre Pforten öffnete. Unter der Leitung von Mateo Kries zeigte sich ein sicherer Instinkt für das, was gerade im Trend ist. Ein Ärgernis ist allerdings die oft laxe didaktische Aufbereitung und die Verengung der Exponate auf wenige „Leuchtturm“-Produkte.

Es mag ein Spleen deutscher Ernsthaftigkeit sein, Schönheit in Bilder und Schrift zu bannen, und dann keinen Widerspruch zu empfinden, sich etwa mit einer Trainingshose zu bekleiden. Doch der schwarze Anzug allein macht es freilich auch nicht. Idealerweise müsste das Können gestandener Museumsmacher mit dem Engagement eines am Trend der Zeit arbeitenden Teams verbunden werden.

Solche wohl fruchtbaren Synergien, das mögen fünf Institutionen und der ästhetisch interessierte Finanzsenator gleichermaßen beherzigen, entstehen durch Kommunikation, nicht durch Abgrenzung.