Ramstein verjährt nicht

Keine Entschädigung für Überlebende der Airbase-Katastrophe. Revision angekündigt

aus FrankfurtKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Fünfzehn Jahre nach der Kollision von drei Düsenjägern der italienischen Kunstflugstaffel „Frecce tricolore“ auf der US-Airbase in Ramstein sprach das Landgericht in Koblenz den Verletzten und Hinterbliebenen das Recht auf Schmerzensgeld ab. Die Bundesregierung jedenfalls, befanden die Richter gestern, müsse keinen Cent an die Opfer der Katastrophe zahlen, in der 70 Menschen im August 1988 ums Leben kamen. Die Ansprüche der fünf Kläger auf Schmerzensgeld seien längst verjährt.

Grundlage für die späte Musterklage, die von den fünf Klägern stellvertretend für rund 100 Opfer eingereicht worden war, ist die medizinische Diagnose eines posttraumatischen Belastungssyndroms (PTB) bei allen Überlebenden des Infernos, den Verletzten und den Angehörigen der dabei gestorbenen Menschen. Bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Leichen und Leichenteile waren damals von GIs und US-amerikanischen und deutschen Ärzten aufgesammelt worden. Viele Menschen starben auch noch beim Abtransport auf Pritschenwagen in die US-Klinik im nahen Landstuhl oder nach Ludwigshafen in eine Spezialklinik für Brandopfer.

Das Gericht allerdings wollte sich mit der Diagnose PTB nicht abschließend beschäftigen. Die Angelegenheit sei in den drei Jahren nach der Katastrophe verjährt. Deshalb sei es unerheblich, ob die Kläger tatsächlich an einem PTB litten oder nicht. Schon 1988 hätte auf dieser Grundlage (PTB) eine Klage eingereicht werden müssen, befanden die Richter. Damit verlagerten sie die Verantwortung zu den behandelnden Ärzten, die schon damals hätten wissen können und müssen, dass es bei ihren Patienten in den Folgejahren zu einem PTB kommen würde. Schließlich hätten die Kläger schon gleich nach dem Inferno an psychischen Störungen gelitten.

Die Opferanwälte wollen sich mit dem Koblenzer Richterspruch offenbar nicht abfinden. Der prominente Opferanwalt Gerhard Baum, von 1978 bis 1982 Innenminister der sozialliberalen Koalition, wollte gestern – neben der möglichen Berufung beim Oberlandesgericht – auch eine „Sprungrevision“ gleich beim Bundesgerichtshof (BGH) nicht ausschließen, auch nicht eine Klage in den Vereinigten Staaten.

Veranstalter der Flugshow, bei der insgesamt 450 Menschen zum Teil sehr schwer verletzt wurden, sei schließlich die US-Airforce (Usaf) gewesen. Die Usaf hatte auch die Staffel „Frecce tricolore“ eingeladen. In Italien wurden die Piloten dieser Staffel wegen ihrer riskanten Manöver in der Luft, bei denen es auf anderen Flugshows schon mehrfach beinahe zu Kollisionen gekommen war, „fliegende Idioten“ genannt. Seit der Katastrophe 1988 fand in Ramstein keine Flugshow mehr statt.