Die Papierhandtuchbotschaft

Misstrauen beim Händetrocknen: Der Vaterschaftstest auf der Toilette

Blauer Mann hat hüpfendes blaues Kleinkind an der Hand. Sind das Vater und Sohn?

Wir hatten viel getrunken: Bier, das „Kölsch“ hieß und in Reagenzgläsern an den Tisch kam. Der Wirt hießt „Kürbis“ oder so ähnlich. Jedenfalls kam er, wenn man „Kürbis“ rief. Köln bietet dem trinkenden Touristen viel Unterhaltung. Auch auf dem Kneipenklo.

Schon beim Eintreten ins Reich der Kacheln sieht man ein Werbeplakat, das Werbung für Werbeplakate macht: „Sie suchen Ihr Lieblingskloplakat, dann: www.kloplakat.de“. Einen Moment lang kann man das durchaus für innovativ halten, aber dann muss man trotzdem pinkeln. Beim Händewaschen wird es noch innovativer: Die auf Rolle feilgebotenen Papierhandtücher sind bedruckt! Fein, denkt man da, nun kann ich beim Händeabtrocknen lesen. Die hohen Erwartungen werden jedoch schnell enttäuscht: Hatte man sich doch spannende Auszüge aus dem neuen Wilhelm-Genazino-Roman versprochen. Aufgedruckt war aber nur Werbung. Für das Würfelspiel „Kniffel“ zum Beispiel, das langweilig ist, aber laut Papierhandtuchbotschaft „seit 30 Jahren für jede Menge Unterhaltung sorgt“. Vermutlich in Kölner Kneipen, wo Kürbisse Reagenzgläser servieren und Unterhaltung deshalb groß geschrieben wird.

Aber dann! Nur ein Blatt darüber: „Ganz der Papa? DNA-Vaterschaftstest. Schnell und sicher. Zuverlässig und diskret. ID-Labor GmbH Wiesbaden.“ Bitte?! Gute Werbung, so hat man mir mal erzählt, soll nachdenklich machen. Bier, so weiß ich aus Erfahrung, kann dasselbe bewirken. Beides zusammen ist teuflisch! Zurück am Tisch lässt die Herrenrunde das Papier kreisen: „O Mann“, sagt Jochen, „das ist doch pervers!“ Jochen hat blonde Haare und eine Tochter. Die hat schwarze Haare. „Ruf da besser mal an!“, empfiehlt Axel. „Man weiß ja nie!“ Axel hat schwarze Haare und kriegt gern mal eins in die Fresse. „Du kannst gern mal eins in die Fresse kriegen“, sagt Jochen. „Kürbis, noch drei Kölsch!“

„Ganz der Papa?“ ist die einzige Werbung, die bei der Zielgruppe Angst auslöst. Und sie funktioniert genau deshalb! Das ID-Labor macht es richtig: In frauenfreier Zone werben für das, was Mann tatsächlich interessiert! Genau hier, in rauchgeschwängerten Männerkneipen kann das ID-Labor sicher sein, seine Zielgruppe zu erreichen. Besser noch: Es kann sogar auf völlig kostenlose Zusatzwerbung durch angetrunkene Herren hoffen. „Meine Lotta ist jedenfalls von mir!“, lallt Jochen. „Die hat mein Kinn!“ – „Na und?“, wende ich zur Freude des ID-Labors ein. „Andere Männer haben auch Kinne!“ – „Sicher sein kann man nur mit Test!“, bekräftigt Axel. „Und kuck mal: Beim Stichwort ‚Papierhandtuch‘ kriegst du sogar drei Prozent Rabatt.“

Der Kürbis bringt neue Reagenzgläser und tippt dabei lässig auf die Anzeige: „Nur bis zum 28. Februar“, sagt er nebenbei. „Die Aktion ist schon rum.“ – „Aha“, mault Jochen vorwurfsvoll, „uralte Papierhandtücher im Klo, hä?“ Dazu sagt der Kürbis nichts. Ich zücke mein Handy: „Wir erledigen das besser gleich. Du brauchst Sicherheit! Zuverlässig und diskret!“

Während ich wähle, betrachtet Jochen düster die Anzeige: Blauer Mann hat hüpfendes blaues Kleinkind an der Hand. „Das bin nicht ich“, nuschelt er. „Ich bin nicht blau.“ – „Bist du wohl“, widerspricht Axel. Im ID-Labor geht keiner ans Telefon. Die haben nachts um zwei zu. Ich halte das für die falsche Strategie. Wenn man nicht weiß, ob man „ganz der Papa“ ist, dann will man sofort eine Antwort haben! Später ist man wieder nüchtern, die Gattin findet die Papierhandtuchanzeige in der Jackentasche und dann hängt der Haussegen schief. Merk dir das, ID-Labor! Wegen unattraktiver Öffnungszeiten hast du einen Kunden verloren! FRANK M. ZIEGLER