Zelten ist wieder chic

Wohnmobile sind passé. Das Campen mit dem Zelt boomt. Die Plätze rund um das Revier haben Mühe, sich auf den unerwarteten Trend einzustellen

Lidl und Aldi sind die Verursacher des Zelte-Booms auf den Campingplätzen

VON PETER ORTMANN

Die Zeiten der weißen Campingkühlschränke mit Mikrowelle und Fernsehschüssel scheinen vorbei. Der Urlaub im Zelt erlebt eine unerwartete Renaissance. Das sagt Leo Ingenlath vom Fachverband der Freizeit- und Camping-Unternehmer in NRW (FFC). Das größte Bundesland erlebte in den letzten 10 Jahren bei den Übernachtungen auf Campingplätzen einen Anstieg um rund 16 Prozent, Dauercamper nicht eingerechnet. Mit den Zeltern ist Platzmangel auf den Anlagen entstanden. Bisher wurde meist in hochwertige Stromanschlüsse und Fäkalientank-Absauganlagen für die Mobilheime investiert. Großraum-Parzelle hieß das Zauberwort. Idyllische Wiesen fürs Zelten gibt es kaum noch auf den Campingplätzen.

„Besonders Familien mit Kindern machen wieder Urlaub im Zelt“, sagt Ingenlath. Ursache seien auch die Angebote der Discounter von Lidl bis Aldi, die im Frühjahr besonders preiswerte Zelte zu tausenden verhökert hätten. Bei so einem Boom kämen die Campingplätze in den Tourismusregionen des Landes nicht mehr mit. Obwohl NRW mit der Zahl seiner Campingplätze auf dem vierten Platz hinter Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg liegt. Die meisten Nutzer kommen aus dem eigenen Bundesland.

Also Zelt ins Auto und auf der A43 mitten ins Münsterland, wo gerade die Regionale 2004 stattfindet. Die Veranstaltungen, die kulturpolitisch Strukturen verbessern sollen, hat bereits weit über 200.000 Besucher. Einen Platz fürs Zelt zu finden ist schwer. Die meisten Anlagen sind von Dauercampern überfüllt. In der Regel haben Wiesenplätze nur einen Anteil von nicht einmal 10 Prozent. Zwischen 6 und 25 Parzellen werden zur Verfügung gestellt. Damit kann der Boom nicht aufgefangen werden. „Wir arbeiten daran“, sagt Leo Ingenlath, der selbst ein Campinggelände am Niederrhein betreibt. In der Region gäbe es 15-prozentige Zuwachszahlen. Doch bei Zelturlaubern gäbe es in allen Regionen des Landes strukturelle Probleme. Drei Viertel seiner Kollegen hätten bereits in Waschmaschinen, Spülräume und Sanitäranlagen investiert. Die Ansprüche seinen eben gestiegen, auch wenn man mit einem Aldi-Zelt unterwegs ist.

Momentan herrscht auf den Campingplätzen enormer Andrang und der Boom wird sich noch verstärken. Rund 2,1 Millionen Bürger in Nordrhein-Westfalen werden in den nächsten drei Jahren einen Campingurlaub machen. Mit mehr als 400 Plätzen ist NRW eine führende Campingregion in Deutschland. „Vor fünf Jahren gab es noch nicht so viele Camper“ sagt Ingenlath. Traditionell seien die Einheimischen ins Sauerland oder die Eifel gefahren, doch die Regionen Niederrhein und Münsterland hätten mächtig aufgeholt.

Zelter hin, Zelter her. Wirtschaftliches Standbein des Campingtourismus in NRW bleibt das Dauercamping. Für sie stehen auf den Anlagen rund 57.000 Dauerstellplätze zur Verfügung. Der jährliche Bruttoumsatz des Campingtourismus beträgt fast 250 Millionen Euro und es werden rund 4.000 Voll- und Teilzeitarbeitsplätze durchs Camping gesichert. Für das Wirtschaftsministerium sind die regionalen Ausgleichseffekte bedeutsam. Dauercamper kämen überwiegend aus den wirtschaftlich aktiven Verdichtungsräumen, die Plätze lägen eher in ländlichen und wirtschaftlich passiven Regionen. So käme es zu einer wünschenswerten Kaufkraftverlagerung. Schlechte Aussichten für die Zelt-Anhänger.