Was uns der Doktor wert ist (II)

„Als junger Arzt verdiene ich weniger als die Putzfrau und trage große Verantwortung“

Langsam müsse er sich wohl entscheiden, grübelt der 36-Jährige mit dem korrekten Kurzhaarschnitt und dem jugendlichen Teint: berühmt werden oder nicht? Immer häufiger wird Eckart von Hirschhausen um ein Autogramm gebeten – zuletzt bei einer Beerdigung. Dass es so kommen würde, war längst nicht immer klar.

In Berlin aufgewachsen, wollte von Hirschhausen eigentlich immer Arzt werden. Dem Entschluss folgte ein engagiertes Studium: Stipendium der Deutschen Studienstiftung, Auslandsaufenthalt in London, Abschluss mit summa cum laude. Der Weg in die Kinderneurologie schien sicher. Wenn da nicht schon immer diese Leidenschaft für Zaubertricks gewesen wäre. Immer öfter stand der junge Doktor abends, nach Dienstschluss, auf den Kleinkunstbühnen Berlins und zauberte vor Publikum. Es kamen Comedy-Gags dazu, und irgendwann war klar: „Wenn ich abends auftrat, statt nachzulesen, konnte ich am nächsten Morgen in der Klinik unmöglich alles geben.“ Unter „alles geben“ aber läuft bei dem notorischen Workaholic nichts. Nach eineinhalb Jahren Krankenhaus fiel die Entscheidung: für die Bühne.

Heute ist sein Unterhaltungsbusiness perfekt organisiert: Über die umfangreiche Homepage kann man den Entertainer – mit Wartezeit – buchen: als Komiker, Moderator oder Humortrainer für gestresste Manager.

Die Frustration im Medizinerberuf spielte bei seinem Ausstieg allerdings auch eine Rolle: „Als junger Arzt im Krankenhaus wird man ständig degradiert, verdient weniger als die Putzfrauen und ist oft mit großer Verantwortung allein gelassen.“ Folglich arbeite man häufig nach dem „Trial and error“-Prinzip, für Hirschhausen „skandalöse“ Arbeitsbedingungen.

Doch die lange Ausbildung war nicht umsonst. Für seine „zweite Karriere“ erwies sich Hirschhausens Medizinerwissen als äußerst geschäftsfördernd: „Die besten Witze kann man eben über das Thema machen, in dem man sich auskennt.“ Die Gags über Gesundheit und Medizin scheinen eine Marktlücke zu füllen. „Humor ist ohnehin eine der knappsten Ressourcen in diesem Land“, sagt er, aber: „Die meisten Menschen sind lustiger, als sie sich trauen.“

Seit fünf Jahren tourt der komische Doktor mit seinem Programm durch die Varietétheater der Republik, tritt in Fernsehshows auf und moderiert sogar eine eigene Gesundheitssendung beim Hessischen Rundfunk. „Es ist ein Riesenglück“, sagt er, „das Thema geht eben jeden an.“ Selbst von ehemaligen Berufskollegen bekommt von Hirschhausen Post. Ärzte aus ganz Deutschland schicken ihm erlebte Geschichten als Anregung für bissige Bühnennummern. „Ich bin kein Nestbeschmutzer“, stellt er klar, „ich zwinkere beiden Seiten zu: Patienten und Ärzten.“ Den einen rät er, sich nicht zu sehr beeindrucken zu lassen von der „medizinischen Allmacht“, den anderen, sich selber nicht zu ernst zu nehmen.

Bei der Frage nach seinem Einkommen huscht eine zarte Röte über das jungenhaft wirkende Gesicht des Komikers. Natürlich verdiene er jetzt deutlich mehr als ein Assistenzarzt, sagt er ausweichend. Und verweist auf ein „überkommenes“ Klischee: „Künstler müssen doch nicht immer am Rand der Gesellschaft stehen.“ NINA MAGOLEY