mittwoch ist baumtag in der taz
: Neophyten und Neozoen

Auch Bäume sind Migranten

Die Kastanie, die gerade gegen die böse Miniermotte kämpft, ist gar nicht von hier. Sie kommt vom Balkan und ist ein Neophyt. So heißen alle Pflanzen, die durch den Menschen seit der Entdeckung Amerikas hierher gekommen sind. Einige sollten als Nutzpflanzen hier wachsen, andere traten die Reise als blinde Passagiere bei Transporten an, wieder andere wurden wegen ihres hübschen Aussehens umgetopft. Vor allem im Barock war es üblich, Gärten mit exotischen Pflanzen eleganter zu gestalten. Heute scheinen viele dieser Neophyten gar nicht mehr fremd. Neben der Kastanie sind auch Platanen und Robinien importiert. Sie kommen aus Nordamerika. Von dort stammt auch die wohl weniger bekannte Gleditschie. Sie sieht der Robinie ähnlich und wächst unter anderem auf dem Mittelstreifen der Kantstraße. Ihren Namen hat sie von dem Botaniker Johann Gottlieb Gleditsch.

Dr. Ingo Kowarik vom Institut für Ökologie der TU Berlin hat schon einiges über Neophyten geschrieben. Die These, die neuen Arten machten einheimische Fauna kaputt, vertritt er nicht. Vor allem in der Stadt bestehe wenig Gefahr. Vorsicht, so Kowarik, sei nur geboten, wenn Neophyten sich auf dem Land unkontrolliert vermehren können. So kann etwa die Robinie Luftstickstoff binden, das heißt, sie produziert ihren eigenen Dünger und verändert damit den Boden. Das wird zum Problem für ihre Umgebung: Pflanzen, die so viel Dünger nicht gewöhnt sind, etwa Brennnesseln, wachsen höher und vermehren sich stärker. Dadurch verdrängen sie andere Pflanzen, das ganze Ökosystem am Standort der Robinie ändert sich. Das heißt dann „biologische Invasion“. Als Stadtbäume sind Robinien laut Kowarik also gut geeignet, aber nicht auf dem Land. So müsse bei den meisten Arten differenziert geprüft werden, wo und wem sie schaden.

Übrigens: Die böse Miniermotte kommt auch nicht von hier, sie ist ein Neozoon. So heißen die Tiere unter den Migranten. Auch diesen Zuwanderer nimmt Ingo Kowarik gelassen: „In Österreich gibt es die Miniermotte schon seit zehn Jahren“, erzählt er, „und die Kastanien sterben nicht aus. Sie sind nur eben nicht mehr so hübsch.“ DINAH STRATENWERTH