berliner szenen Schöneberg-Tempelhype

Umzug im In-Bezirk

Ich sitze auf einem türkisblauen Stuhl mit gelber Ikealehne, bestrahlt von schwächelnder Spätsommersonne. Ich warte. Dies ist kein zweckfreies Erholungssitzen, nein, ich erfülle eine wichtige Aufgabe. Aufpassen. Der Wind wirft mir Straßenstaub aus dem Weltall ins Gesicht. Die Frau vom Penny gegenüber schaut im roten Penny-Poloshirt Pfandflaschencontainer schiebend auf den kleinen Holztisch, auf dem ausgestreckt meine Beine liegen. Zwei Fahrradkinder wollen wissen, was ich verkaufe. Gelassen blicke ich an ihnen vorbei auf das vertrocknete Laub unter den Bäumen. Sonne mich in dem besten Part, den man bei einem Umzug übernehmen kann. Parkplatzbesetzen. Spart 35 Euro für Halteverbotsschilder, wenn ich mich recht entsinne.

Heute freue ich mich, dass ich Freunde in Tempelhof habe. Ich liege in diesem ruhigen Seitenarm des T-Damms und denke an die Karl-Marx-Straße. Die Gemüselieferwagen in zweiter Reihe. Die Dunstglocke filtert das Sonnenlicht in ein stinkendes Schwefelgelb. Oder das penetrante Rattern der Reifen über dem Kopfsteinpflaster im tollen Prenzelberg. Sofort verwandeln sich meine friedlichen Gedanken in den klassischen Umzugsalbtraum. In der Ferne höre ich ein Flugzeug landen.

Wenn Tempelhof-Schöneberg tatsächlich die vermutlich weltweit größte Innenstadtliegewiese bekommt, ist es womöglich mit der Ruhe vorbei. Wenn Stadtinlineskaterschwaden mit Entzücken die kilometerlangen Spielflächen auf den alten Start- und Landebahnen entdecken. Und Stadtjogger die vorzüglichen Runden um die Denkmalruinen. Die vermeintliche Beruhigung könnte zur Geburtsstunde des nächsten In-Bezirks werden. Dann ist es vorbei mit der Umzugsruhe. SILKE LODE