Heroische Inszenierungen

Den Pakt von italienischem Futurismus und Faschismus in Film und Städtebau sichtbar gemacht: Die Cinepolis-Reihe im Metropolis zeigt morgen Abend dokumentarische Filme zu Architekturen im italienischen Faschismus

von LASSE OLE HEMPEL

Das wortgewaltige erste Manifest der italienischen Futuristen, das 1909 im Pariser Figaro abgedruckt wurde, fand sein Echo in ganz Europa und kann auch als Startschuss der europäischen Avantgarde betrachtet werden. Während in der Folge in Frankreich und Deutschland Expressionisten, Dadaisten und Surrealisten die futuristischen Signale in andere Bahnen lenkten und die künstlerische Revolte probten, verbündeten sich die italienischen Futuristen im eigenen Land mit dem Establishment. 1922 begrüßten die Futuristen um ihren Chefideologen Filippo Tomaso Marinetti die faschistische Diktatur Benito Mussolinis. Durch den Pakt, den die Futuristen mit dem Faschismus eingingen, ist es wohl auch zu erklären, dass trotz Mussolinis Totalitarismus in Italien moderne und avantgardistische Strömungen nicht gezwungenermaßen unterdrückt sondern teilweise sogar gefördert wurden. Die dokumentarischen Filme, die morgen unter dem Motto „Italienische Architekturen des Faschismus“ im Rahmen der Cinepolis-Reihe gezeigt werden, stehen ganz in diesem historischen Kontext.

Wenngleich sie unter einer diktatorischen Herrschaft entstanden, sind in ihnen doch auch Neuerungen der europäischen Avantgarde verborgen. So ist es beispielsweise unübersehbar, dass die italienischen Filmemacher den wegweisenden Arbeiten europäischer Kollegen wie Walter Ruttmann und Dziga Vertov nacheiferten. Bei den Filmen, die bis auf eine Ausnahme Anfang der dreißiger Jahre realisiert wurden, handelt es sich um Werbe-, wenn nicht gar um Propagandafilme. Sie spiegeln den Geist der Epoche wider. Italiens fortschreitende Industrialisierung wird hier rückhaltlos gefeiert. Umberto Barbaros Gesänge von der Adria aus dem Jahr 1933 preisen die neuen Frachtschiffe, die in Triest vom Stapel laufen. Der Titel erinnert an den Wortlaut des ersten futuristischen Manifestes, wo es heißt: „Besingen werden wir die nächtliche, vibrierende Glut der Arsenale der Werften, die von den grellen elektrischen Monden erleuchtet werden.“

Raffaello Matarazzo zeigt in Die Stadt Littoria, wie sich eine Sumpflandschaft bei Rom durch das Zutun von Mensch und Technik in eine kleine Stadt verwandelt. Die Arbeiter, die da in Reih und Glied mit dem Spaten bewaffnet an einem neuen Italien arbeiten, sind Teil einer heroischen Inszenierung. Auf ganz ähnliche Weise hatten auch die Filmemacher der sowjetischen Avantgarde die Modernisierung ihres Landes beschworen.

Für die faschistische Architektur hatte Mussolini 1934 Rationalismus und Funktionalismus als die offiziellen Richtlinien ausgegeben. Wie die ausgewählten Filme beweisen, ermöglichte diese Entscheidung einen Städtebau relativ moderner Ausprägung. So kann der italienische Architekt Piero Bottoni mit einem eigenen Film seine von ihm konzipierte Mailänder Sozialwohnung vorstellen. Die Bauhaus-Ästhetik hat hier nicht nur die Architektur beeinflusst – die Art, in der Bottoni die Wohnung in Szene setzt, erinnert stark an die Fotos und Filme des Bauhauskünstler László Moholy-Nagy.

Durchaus modern konzipiert war auch das Weltausstellungsgelände EUR, für das 1942 bei Rom der Grundstein gelegt wurde. Den Bau des modernen Areals, das zwanzig Jahre später in Antonionis L‘eclisse eine Rolle spielen sollte, dokumentiert der Propagandafilm Die Miliz des Kulturvolkes. Dabei wird einmal mehr deutlich, dass die Ideale der Moderne hier auf die Architektur beschränkt bleiben und nicht auf den Menschen selbst angewendet werden: Die Bauarbeiter bleiben konturlose, funktionale Platzhalter – fleißige Arbeiter, die unter einem militärischen Drill stehend der Nation ihren Dienst zu erweisen haben.

morgen, 19 Uhr, Metropolis