Kleine Leute, kleine Dosen

Homöopathie ist als Heilmethode für Kinder besonders gut geeignet. Kleine Infekte können Eltern mitunter sogar selbst behandeln. Chronische oder schwere Erkrankungen bedürfen eines Arztes

Jan schreit wie am Spieß. Er hat Ohrenschmerzen und hohes Fieber. Die Eltern wissen schon, was das heißt. In den letzten Monaten hatte der 3-Jährige bereits zwei schwere Mittelohrentzündungen. Die hat der Kinderarzt mit Antibiotika behandelt. Doch kaum war die erste verheilt, folgte nach einer kurzen Pause der nächste Infekt, noch einer und wieder einer, dann die zweite und schließlich jetzt eine dritte Mittelohrentzündung.

Jans Eltern wollen ihrem Sohn nicht schon wieder ein Antibiotikum geben und außerdem endlich etwas gegen die ständigen Infekte unternehmen. Eine Freundin empfiehlt ihnen einen klassischen Homöopathen. Die Eltern lassen es auf einen Versuch ankommen.

Wie Jan geht es vielen Kindern. Bis die Eltern sich entschließen, einen anderen als den schulmedizinischen Weg zu gehen, verstreicht oft einige Zeit, in der die Krankheiten der Kleinen – nicht selten auch wiederholt – mit Antibiotika bekämpft wurden. Werden sie dann homöopathisch behandelt, sind die Heilungserfolge oft verblüffend.

„Homöopathie ist nichts anderes als die gezielte Verstärkung der eigenen Fähigkeiten“, erklärt Friedrich P. Graf. Der praktische Arzt, Geburtshelfer und Homöopath hat sich intensiv mit der Bedeutung der Homöopathie für die Gesunderhaltung von Kindern und Jugendlichen befasst. Das Thema sei ihm deshalb so wichtig, weil „in der Kindheit die Weichen gestellt werden für das, was krank macht“, so Graf.

Homöopathische Arzneien regen die Selbstheilungskräfte des Körpers an. Das funktioniert bei Kindern besonders gut, weil ihre Lebenskraft erheblich ist. Es wird nicht – wie in der Schulmedizin – nur das kranke Organ oder der jeweilige Infekt behandelt, sondern der ganze Mensch.

Homöopathische Arzneien wirken, indem sie Reaktionen hervorrufen und so die Selbstheilungskräfte des Patienten stimulieren und in Gang bringen. Dabei werden nicht die Symptome bekämpft, sondern der Körper wird im Heilungsprozess unterstützt.

Der homöopathisch behandelnde Arzt verordnet also nicht auf Grundlage einer bestimmten Diagnose – also beispielsweise Mittelohrentzündung – eine Arznei. Für ihn ist vielmehr die Gesamtpersönlichkeit und die jeweilige Befindlichkeit des Patienten grundlegend für die Wahl des richtigen Mittels.

Dabei bedient man sich des „Ähnlichkeitsprinzips“. Arzneien, die bei gesunden Menschen bestimmte Symptome hervorrufen, können diese beim Kranken heilen. Ein viel zitiertes Beispiel ist hier die Wirkung von Allium cepa, der Küchenzwiebel. Wenn man Zwiebeln schneidet, beginnen die Augen zu brennen und zu tränen, die Nase läuft und man muss häufig niesen. Bei einem Schnupfen könnte also dieses Mittel – homöopathisch aufbereitet – durchaus Wirkung zeigen.

Eigenheiten im Verhalten, etwa schnelles Aufbrausen, Eingeschnapptsein oder extreme Schreckhaftigkeit spielen in der Beurteilung ebenso eine Rolle wie bestimmte Ängste oder Schlafgewohnheiten. Was isst oder trinkt dieser Mensch gern? Bessern sich die Beschwerden nach warmen oder kalten Getränken, im Freien oder im warmen Bett? Treten sie eher nachts auf, und wenn ja: wann genau? Vor oder nach Mitternacht, gegen Morgen oder kurz nach dem Einschlafen? All das wird ein Homöopath im Einzelfall von seinem Patienten wissen wollen. Wer zum ersten Mal mit Homöopathie in Berührung kommt, ist vielleicht befremdet von dieser Vorgehensweise. Sie ist notwendig, um das für den jeweiligen Patienten individuell passende Mittel zu finden.

Und so bekommt Jan dann nach eingehender Befragung der Eltern einige kleine weiße Kügelchen – Globuli. Nach kurzer Zeit lassen die Schmerzen nach und das Ohr verheilt vollständig. Darüber hinaus bleibt der Junge mehrere Monate von neuen Infekten verschont.

Auch chronische Krankheiten und Allergien lassen sich gut homöopathisch behandeln. Während die Schulmedizin bei Allergien oft nur rät, auf die allergieauslösenden Stoffe zu verzichten und bestenfalls Cortison für sehr schwere Fälle bereithält, ist es möglich, sie homöopathisch zu heilen. Denn „in der Homöopathie arbeiten wir direkt an der Wurzel“, so der Heilpraktiker und Homöopath Janko von Ribbeck. Es geht also nicht nur um die Beseitigung und damit meist Unterdrückung etwa von Ekzemen, sondern darum, das Kind in die Lage zu bringen, die Allergie zu überwinden.

Doch sind auch der homöopathischen Therapie Grenzen gesetzt. Wenn die Selbstheilung nicht mehr funktioniert, kann sie auch nicht unterstützt werden. So gehören Knochenbrüche und Krebsleiden und ausgefallene Organe ganz klar in schulmedizinische Behandlung, wenngleich auch hier eine homöopathische Begleitung zusätzlich und unterstützend möglich ist.

Wie findet man gute klassische Homöopathen und woran erkennt man sie? Am besten sind hier persönliche Empfehlungen. Darüber hinaus gibt der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte ebenso Auskunft wie der Bundesverband Patienten für Homöopathie. Bei der Terminvereinbarung sollte man nachfragen, ob wirklich klassisch homöopathisch behandelt wird. Hierbei erfolgt die Gabe eines einzigen homöopathischen Mittels nach eingehender Anamnese oder Symptomerhebung. Das Erstgespräch sollte demnach mindestens eine Stunde dauern. Verabreicht werden nach der umfassenden Anamnese homöopathische Einzelmittel.

Während chronische und schwere Erkrankungen unbedingt in die Hand erfahrener Homöopathen gehören, können Eltern kleinere Infekte oder Verletzungen durchaus schon mal selbst behandeln. Voraussetzung ist allerdings auch hier einige Erfahrung mit den Grundsätzen der Homöopathie und der Anwendung. KATHARINA JABRANE