Klagen in Polen und Straßburg

Preußische Treuhand will Entschädigungen für Vertriebene erstreiten. Hat sie überhaupt eine Chance?

Die Bundesregierung kann nicht verhindern, dass deutsche Staatsbürger vor polnischen oder europäischen Gerichten versuchen, die Rückgabe von Grundstücken einzuklagen, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge der Vertreibungen enteignet wurden.

Viele Vertriebene sind immer noch im Grundbuch ihrer ehemaligen Heimatorte als Eigentümer eingetragen. Zwar hat der polnische Staat nach dem Zweiten Weltkrieg dort in der Regel polnische Bürger angesiedelt, die ihrerseits die polnischen Ostgebiete verlassen mussten, welche der UdSSR zugesprochen wurden. Diese polnischen Neubürger erhielten allerdings in der Regel nur ein Pachtrecht. Erst in den letzten Jahren gab ihnen der polnische Staat auch Eigentumsrechte – zur Abwehr deutscher Ansprüche.

Die Klagen der Vertriebenen scheinen daher nicht von vornherein juristisch haltlos. Spätestens wenn der polnische Rechtsweg erschöpft ist, können die Kläger zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nach Straßburg gehen. Rudi Pawelka von der Klägerorganisation „Preußische Treuhand“ kündigte allerdings an, dass man den europäischen Rechtsweg sogar parallel begehen werde. Es gebe bereits jetzt genügend Anzeichen, dass polnische Gerichte alle Klagen abweisen werden.

Als Kläger könnten dabei einzelne Vertriebene auftreten, beziehungsweise ihre Erben. Nach Informationen der Berliner Zeitung haben etwa 30.000 von ihnen Grundbesitz in Polen verloren. Die Preußische Treuhand tritt nur als Bevollmächtigte auf, um die Abwicklung der komplizierten Klagen zu erleichtern und auch, um durch kollektives Vorgehen politischen Druck auszuüben.

In Straßburg könnten sich die Vertriebenen vor allem auf zwei Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention stützen. Im ersten Zusatzprotokoll ist das Recht auf Eigentum geschützt. Dies dürfte relevant sein, wenn der Kläger noch als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, ihm aber von polnischen Behörden der Besitz verweigert wird. Soweit erst in den letzten Jahren (durch Grundbuchänderung) enteignet wurde, könnte auch das Fehlen einer Entschädigung angegriffen werden. Außerdem schützt die Konvention vor Diskriminierungen. Deutsche Enteignungsopfer könnten verlangen, gleichgestellt zu werden, wie polnische Enteignete. Wie der Gerichtshof die historische Dimension der von den Alliierten gebilligten Vertreibungen und die deutsche Kriegsschuld bewertet, ist noch nicht abzusehen.

Der Bundesverband der Vertriebenen (BdV) unterstützt die Entschädigungsklagen angeblich nicht. Ihm gehe es um das Recht auf Heimat, nicht in erster Linie um Geld, so die BdV-Vorsitzende Erika Steinbach. Dazu passt freilich nicht, dass Steinbach jetzt von der Bundesregierung eine Entschädigung der Vertriebenen forderte, um das Verhältnis zu Polen nicht weiter zu belasten.

Die Bundesregierung lehnt deutsche Entschädigungen mit Verweis auf den Lastenausgleich der 50er-Jahre ab. Die Zahlungen an die Vertriebenen waren zwar, gemessen am Verkehrswert der verlorenen Grundstücke, relativ niedrig. Die Höhe der Summen kann jedoch heute – 50 Jahre später – nicht mehr vor Gericht angegriffen werden. Der Lastenausgleich sollte nach 1945 die Kriegs- und Kriegsfolgeschäden einschließlich der Vermögensverluste von Vertriebenen und Ostflüchtlingen möglichst gerecht mildern. CHRISTIAN RATH