Die haben ja einen Stich

Der Kuchengenuss auf dem Balkon gerät zur Abwehrschlacht, jeder Parkbesuch zur Qual: Wespen sind in diesen Tagen so aktiv wie nie. Warum mit den Viechern gerade nicht gut Kirschen essen ist

VON CHARLOTTE NOBLET

Die Kombination Schwarz-Gelb ist meist unerfreulich: die politische sowieso, Flüssigkeiten, auf denen solche Schilder stehen, sind giftig, und auch im Tierreich ist das nicht anders. Die Wespen drehen durch, meldet das Berliner Volksempfinden in diesen Tagen – so viele wie nie, so aggressiv wie nie, so nervig wie nie.

Das hat etwas mit dem schönen Wetter zu tun: „Wärme und Feuchtigkeit sind zwei Parameter, die Wespen in Alarmstimmung versetzen“, sagt Melanie von Orlow vom Nabu Berlin. Das derzeitige Wetter ist also die ideale Voraussetzung für Wespenstress. Auch wenn sie Kohlendioxid wittern, geraten die Insekten in Rage, so die Expertin. „Anpusten darf man sie nicht.“

Berlins Wespenpopulation zuträglich könnte – ebenso wie anderen Insekten – der milde Winter gewesen sein, sagt Herbert Lohner vom Berliner BUND. Dass in diesem Sommer etwa viele Blattläuse auf den Pflanzen hocken, freut die Wespen: „Der süße Kot der Läuse ist für sie eine wichtige Nahrung.“

Allerdings: Dass mehr Wespen als sonst herumschwirren, kann Lohner nicht bestätigen. Auch Nabu-Fachfrau von Orlow sagt: „Diese Wahrnehmung ist rein subjektiv – es gibt nicht mehr als letztes Jahr.“ Das stärkere Bedrohungsgefühl beruht auf einer einfachen Formel: Wespen fliegen – ebenso wie Menschen – am liebsten an schönen Tagen aus. Da es davon nur wenige gibt, treffen beide Populationen besonders massiv aufeinander.

Es gilt wie für viele: Die Wespe ist ein missverstandenes Tier. Ihre hektische Art herumzufliegen, zum Beispiel, legen ihr Menschen gerne als Aggression aus. Doch durch die Funktionsweise ihrer Facettenaugen erkennt das Tier seine Umgebung nur scharf und in der richtigen Bildauflösung, wenn es eine gewisse Geschwindigkeit erreicht. Die Wespe schwirrt, um scharf zu sehen – für eine Jägerin, die Mücken oder Fliegen im Flug erlegt, eine durchaus sinnvolle Einrichtung.

Zudem ist wirklich nur ein kleiner Teil der Insekten zudringlich: „Nur zwei Arten haben den gelb-schwarzen Hautflüglern einen schlechten Ruf eingebracht“, sagt Melanie von Orlow – in Berlin leben rund 200 Wespenarten. Die häufigsten Störer, die „Deutsche Wespe“ (Paravespula germanica) und die „Gemeine Wespe“ (Paravespula vulgaris), stechen nur, wenn sie sich angegriffen oder bedrängt fühlen. Eine Schüssel Zuckerwasser fernab der Kaffeetafel kann Abhilfe schaffen.

Erbeuteten Zucker nutzen Wespen für sich selbst: „Der ist sozusagen ihr Benzin“, sagt BUND-Experte Lohner. „Protein, also Eiweiß, sammeln sie für ihre Brut.“ Schnorrt die Wespe bei der Grillparty, tut sie das aus reiner Mutterliebe.

Ihre Nester bauen sie in der Stadt am liebsten in einer geschützten Umgebung, etwa auf einem gut isolierten Dachboden. Doch selbst wer eine solche Heimstatt im oder am Haus findet, muss deshalb noch nicht unbedingt Schädlingsbekämpfer zu Hilfe rufen. „Wespen nutzen ihr Nest nur ein einziges Mal. Ab Mitte August verlassen sie es“, sagt Bienen- und Wespenfänger Jürgen Spethmann. Wenn die Belästigung erträglich ist, lohnt es sich also zu warten und das Nest selbst wegzuschmeißen. So kann man 50 bis 90 Euro sparen, so viel kostet die professionelle Beseitigung. In diesem Fall empfiehlt es sich aber, gut zu putzen: Sonst finden die Tiere den Standort im Frühjahr wieder – wegen des Geruchs.