Auftrieb für Islamisten befürchtet

Nach Kaplan-Urteil diskutieren Politiker und Experten über Umgang mit Extremisten

BERLIN taz ■ Nach dem Urteil im Fall des „Kalifen von Köln“ diskutieren jetzt Experten und Politiker über den Umgang mit ausländischen Extremisten. Das Verwaltungsgericht Köln hatte dem Islamistenführer Metin Kaplan am Mittwoch zwar sein Anrecht auf Asyl aberkannt, aber seine Abschiebung in die Türkei verhindert, da ihn dort kein rechtsstaatliches Verfahren erwarte.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland verlangt anlässlich des Urteils ein schärferes Vorgehen gegen Islamisten. „Wer hier herkommt, um Straftaten zu begehen, soll abgeschoben werden“, fordert Kenan Kolat, Vizevorsitzender der Türkischen Gemeinde. Kolat wirft der Regierung vor, aus falsch verstandener Toleranz zur Salonfähigkeit von Extremisten beigetragen zu haben. Die deutschen Behörden seien „mit Islamisten sehr locker umgegangen“. Das Kölner Urteil habe eine „desintegrierende Wirkung“ auf weltoffene Türken. Lediglich bei Straftätern ohne deutschen Pass, die hier geboren sind, plädiert Kolat für einen Verzicht auf Abschiebung. Im Fall Kaplan dagegen spricht er sich für eine Ausweisung aus. Die Rede vom „Folterstaat“ Türkei sei „nicht mehr akzeptabel“.

Skeptischer sieht dies Michael Lüders, der bei der Friedrich-Ebert-Stiftung für internationale Politikanalyse zuständig ist. „Verprügeln von Gefangenen ist in türkischen Gefängnissen immer noch Alltag“, warnt Lüders. Er hält das Kaplan-Urteil für formal richtig. „Das Dilemma, dass auch ausländische Extremisten rechtsstaatliche Grundsätze für sich beanspruchen, ist nicht aufzulösen.“ Trotzdem dürften sich Ausländer, die in Deutschland zur Gewalt aufrufen, nicht auf das Aufenthaltsrecht berufen. „Kaplan gehört dorthin zurück, wo er herkommt.“ Lüders fürchtet, dass sich Islamisten in Deutschland durch das Urteil ermutigt fühlen. Er schlägt daher vor, Kaplan abzuschieben und den weiteren Fortgang des Verfahrens „als weiteren Prüfstein für die EU-Beitrittsreife der Türkei“ genau zu beobachten. Der Islamismus-Experte Eberhard Seidel sieht „Klärungsbedarf“ im Umgang mit Ausländern, die Deutschland als Basis für antidemokratische Politik in ihren Heimatländern nutzen.

Die Union verlangt die schnelle Abschiebung Kaplans. Innenminister Otto Schily (SPD) kündigte gestern an, gegen das Urteil Berufung beim Oberlandesgericht Münster einzulegen. Nach dem Verlust seines Asylstatus kann Kaplan auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, falls die Behörden die Einreise erlauben. ANDREAS SPANNBAUER

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