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: Demokrat John Kerry: ein Präsidentschaftskandidat mit klarem Profil

Am Ende des demokratischen Parteitags ist eines sicher: Selten waren die Unterschiede zwischen den US-Parteien deutlicher. Daran ändert auch John Kerrys Forderung nach einer Stärkung des Militärs nichts.

Innenpolitisch will Kerry Geld für den Heimatschutz, Bush streicht zusammen. Kerry will die Steuergeschenke an die Reichen rückgängig machen, Bush sie festschreiben. Kerry fordert eine Energiewende und Umweltschutz, Bush hält von beidem nichts. Kerry will eine staatliche Krankenversicherung, Bush die Gesundheitsversorgung privatisieren. Kerry will den Mindestlohn anheben, Bush nicht. Die Amerikaner haben also eine klare Wahl.

Komplizierter wird es in der Außen- und Sicherheitspolitik. Kerry verkündete keine Abkehr vom Prinzip des Präventivschlages und behält sich auch weiterhin das Recht vor, unilateral zu handeln. Dahinter steht eine nationales Selbstverständnis, an dem kein US-Präsident rütteln wird. Demokraten haben damit kein Problem – allenfalls Europäer. Doch diese sollten deswegen nicht den Fehler machen, Kerry und Bush in einen Topf zu werfen. Kerry ist überzeugter Multilateralist, auch wenn diese Haltung für ihn keinen Wert an sich darstellt. Jenseits des Atlantiks kann man sich, nach allem, was über die Person Kerry bekannt ist, sicher sein, dass er im Umgang mit künftigen Krisenherden keine Militärabenteuer wagen, sondern den Schulterschluss mit den Alliierten suchen wird.

Problematisch ist die aktuelle Krise im Irak. Kerry weicht aus wahltaktischen Gründen weiterhin der Frage aus, ob die Invasion aus heutiger Sicht ein Fehler war. Auch wenn er damit persönlich mehr Statur als Bush bewiesen hätte, dem es auch nicht einfällt, Versagen einzuräumen. Entscheidend ist gegenwärtig jedoch nicht mehr, wer wann wofür stimmte. Jetzt geht es allein darum, aufzuzeigen, wie eine Erfolg versprechende Politik im Nahen Osten aussehen könnte. Hier fehlt dem Kandidaten Kerry entweder die Vision. Oder er glaubt, Bush solle ruhig in seiner eigenen Misere schmoren.

Man könnte sagen: Wenn Kerry kein Irakkonzept hat, dann soll Bush die Suppe, die er eingebrockt hat, auch wieder auslöffeln. Vier weitere Jahre, als Strafarbeit sozusagen. Doch wenn denen, die mit dem Koch Bush zu Tische sitzen müssen, der Appetit und die Lust auf seine Gesellschaft vergangen sind, muss ein neuer Koch her. Unabhängig davon, ob der über ein neues Rezept verfügt. MICHAEL STRECK