Karlsruhe begründet Bochumer Nazidemo

Gestern begründete das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, warum Neonazis Ende Juni durch die Bochumer Innenstadt marschieren durften. Meinungsfreiheit müsse ungeachtet der sozialen und ethischen Auffassung gelten

RUHR taz ■ Auch Rechtsextreme sind von der grundgesetzlich verankerten Meinungsfreiheit geschützt. In einem gestern veröffentlichten Beschluss gab das Bundesverfassungsgericht nachträglich dem NPD-Landesverband NRW recht. Dieser hatte gegen das Verbot einer für den 26. Juni in Bochum geplanten Demonstration geklagt.

Bereits zwei Tage vor der Demo hatte das oberste deutsche Gericht ein vom Oberverwaltungsgericht Münster ausgesprochenes Verbot wieder aufgehoben. Unter dem Motto „Keine Steuergelder für den Synagogenbau – für Meinungsfreiheit“ haben die Rechten dann am 26. Juni gegen den Bau der Bochumer Synagoge protestiert. „Ein Verbot der Versammlung ist rechtswidrig,“ heißt es nun in dem Karlsruher Beschluss. Weil es sich um ein Eilverfahren handelte, kommt die Begründung erst jetzt – einen Monat später. „Es war eine eilige Entscheidung, keine eilige Begründung“, sagt Gudrun Schrafthuber, Sprecherin des Bundesverfassungsgerichts. Sie hält die damals entsponnene Diskussion um die Demo für verfrüht. „Erst jetzt kann fundiert diskutiert werden.“

Dem Eilurteil ist ein langer Rechtsstreit vorausgegangen. Zuerst sprach die Bochumer Polizei ein Verbot aus, diese Entscheidung wurde vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen wieder aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht Münster hob wiederum das Urteil der Gelsenkirchener KollegInnen auf und begründete dies mit zu erwartenden volksverhetzenden Äußerungen auf der Demo. Dieser Argumentation wollten die Karlsruher RichterInnen nicht folgen. „Auf dieser Rechtsauffassung kann ein Versammlungsverbot nicht gestützt werden.“

Meinungsäußerungen dürften nicht eingeschränkt werden, nur weil sie einer vorherrschenden ethischen oder sozialen Auffassung widersprächen. „Das Gesetz muss ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung gelten.“ Erst wenn tatsächlich antisemitische oder rassistische Straftaten begangen würden, sei die öffentliche Ordnung gefährdet. „Dann kommt sogar ein Versammlungsverbot in Betracht.“

Eine Sprecherin des NRW-Innenministeriums erklärte, für die Polizeibehörden werde sich nach der Karlsruher Entscheidung nichts ändern. Die Polizei müsse weiterhin „in jedem Einzelfall sorgfältig prüfen“, ob eine Demonstration genehmigt werden könne oder ob die Gefahr bestehe, dass dabei auch Straftatbestände erfüllt werden könnten.

ANNIKA JOERES