Hautkrebs: Vorsorge mit Tücken

Mehr als 100.000 Menschen in Deutschland erkranken jedes Jahr neu an Hautkrebs. Eine neue Untersuchung zur Früherkennung soll helfen, Tumore früh zu erkennen. Unter Experten ist das Screening jedoch umstritten

Bei Hautärzten ist das Screening sicherer als bei Hausärzten

Inzwischen kann Ines Schilling* gelassen darüber reden. Aber als sie vor zwei Jahren die Diagnose Hautkrebs bekam, habe sie das „ziemlich aufgemischt“, sagt die 45-Jährige. Ein Leberfleck hatte gejuckt und „gepuckert“, deshalb war sie zu einer Hautärztin gegangen. Die Dermatologin schnitt das Muttermal heraus und ließ es analysieren. Befund: schwarzer Hautkrebs, 0,65 Millimeter groß.

Der schwarze Hautkrebs, das maligne Melanom, ist unter den Hauttumoren der gefährlichste, weil er schnell Tochtergeschwülste im ganzen Körper bilden kann. Nach Schätzungen von Experten erkranken jedes Jahr mehr als 13.500 Menschen in Deutschland neu an schwarzem Hautkrebs, etwa 2.000 sterben daran. Dazu kommen hochgerechnet über 100.000 Menschen, die eine Form von hellem Hautkrebs entwickeln.

„Seit Jahren nimmt Hautkrebs um 5 bis 7 Prozent jährlich zu“, berichtet Eggert Stockfleth, Leiter des Hauttumorcentrums Charité in Berlin. Hauttumore belegen Platz eins der Krebsstatistik. „Ein Riesenproblem“, urteilt der Dermatologe. „Dabei ist Hautkrebs meist gut heilbar, wenn er früh erkannt wird.“ Ein neuer Tumortest soll daher helfen, Hautkrebs schon im Anfangsstadium zu entdecken.

Seit dem 1. Juli 2008 bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre ein Hautkrebs-Screening. Dazu gehören ein Beratungsgespräch, bei dem es um Vorerkrankungen, Risikofaktoren und Vorbeugung geht, und eine körperliche Untersuchung. Der Arzt kontrolliert die Haut vom Kopf bis zu den Fußsohlen, schaut in den Mund, in die Augen und inspiziert auch den Genitalbereich. Mancher muss dafür sicher sein Schamgefühl überwinden, aber ein Krebsgeschwür kann hier versteckt wachsen. Wie bei Ines Schilling. Ihr Melanom befand sich in der Bikinizone.

Untersuchen dürfen Dermatologen und hausärztlich tätige Allgemeinmediziner, Internisten und praktische Ärzte, die eine achtstündige Fortbildung absolviert haben. Die Zeit sei knapp bemessen, räumt Stockfleth ein. Aber anders ließen sich nicht genug Mediziner ausbilden, um die Millionen Menschen zu untersuchen, denen die Vorsorge zusteht. In Berlin sind inzwischen 1.065 der 2.460 Hausärzte und 190 von insgesamt 209 Dermatologen geschult.

Kritiker bezweifeln aber, dass ein Tageskurs ausreicht, um Ärzte gut auszubilden, die bisher wenig mit Hautkrebs zu tun hatten. Zudem bleibt die Untersuchung hinter dem üblichen Standard zurück – Hautärzte verwenden normalerweise ein Dermatoskop. Dieses Auflichtmikroskop bezahlen die Kassen beim Screening nicht. Hier begutachtet der Arzt den Körper ohne ein Diagnosegerät, nur mit bloßen Augen. Dies vergrößert die Gefahr, dass der Doktor Hauttumore übersieht oder harmlose Flecken als krebsverdächtig einstuft. Ein solcher Fehlalarm ist eine beträchtliche seelische Belastung für den Betroffenen. Es dauert schließlich einige Zeit, bis er Gewissheit hat. Denn beei Verdacht auf Krebs muss ein Hausarzt an einen Dermatologen überweisen, der dann weitere Untersuchungen vornimmt. Die Ärztin Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen rät daher: „Wer ein erhöhtes Hautkrebsrisiko hat, sollte sich am besten von einem Dermatologen untersuchen lassen. Das gilt zum Beispiel für Menschen mit heller Haut, mit vielen Pigmentflecken oder für solche, die in ihrer Kindheit und Jugend oft einen Sonnenbrand hatten.“

Klaus Giersiepen sieht die Sache grundsätzlicher: Niemand wisse, ob das Hautkrebs-Screening letztlich etwas nütze, sagt der Wissenschaftler vom Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin. „Möglicherweise hilft es, aber das wird nie jemand mit Sicherheit sagen können. Durch die flächendeckende Einführung wurde die Chance vertan, den Effekt des Screenings durch eine Vergleichsgruppe, die nicht untersucht wird, messen zu können.“ Genauso wenig werde es möglich sein, Krankheitsverläufe von Hautkrebspatienten danach zu unterscheiden, ob sie am Screening teilgenommen haben oder nicht. Auch ließe sich nicht ermitteln, ob vermeintliche Risikogruppen tatsächlich besonders gefährdet sind. Nur eine Studie könnte zeigen, ob das Screening zu empfehlen ist, betont Giersiepen. Dazu müsste es Verbesserungen bringen, indem Teilnehmer der Hautinspektion länger leben, seltener operiert werden müssen oder trotz Diagnose eine bessere Lebensqualität erreichen. „Solange das Hautkrebs-Screening nicht so aufgesetzt ist, können wir es nicht empfehlen. Es muss dringend nachgebessert werden“, sagt er.

Gänzlich ungeprüft soll das Screening jedoch nicht bleiben – schließlich müssen die Kassen rechtfertigen können, warum sie Beitragsgelder in Millionenhöhe dafür ausgeben. Fünf Jahre lang sollen die Daten der Untersuchungen gesammelt und ausgewertet werden, um zu sehen, wie hoch die Resonanz und wie groß die positiven Effekte sind. Eine Studie aus Schleswig-Holstein stimmt die Befürworter dieser Krebsvorsorge jedoch hoffnungsfroh, dass der Nutzen die Kosten rechtfertigt: Dort hatte sich gezeigt, dass Hautscreenings die Zahl von früh erkannten, noch nicht metastasierten Melanomen deutlich steigern konnten.

Jenseits aller Differenzen sind Experten sich indes einig, dass Menschen besser vorbeugen sollten. Noch immer legen sich viele ohne ausreichenden Schutz in die Sonne. Außerdem ist zu wenig bekannt, dass die höchste UV-Bestrahlung nicht bei klarem, sondern vielmehr bei bewölktem Himmel auftritt.

Jeder sollte seine Haut einmal im Monat gründlich inspizieren, besonders seine Leberflecken. Dabei kann die ABCD-Regel helfen, kritische Male zu erkennen: A bedeutet Asymmetrie, also unregelmäßige Form. B steht für unklare Begrenzung. C wie Colour, englisch für Farbe, bezieht sich auf einen dunklen oder unregelmäßig pigmentierten Fleck. D steht für Durchmesser, der nicht größer als zwei Millimeter sein sollte. MARTINA JANNING

*Name geändert

Interessierte können geschulte Ärzte in Berlin unter www.kvberlin.de finden, wenn sie den Begriff „Hautkrebs-Screening“ in die Freitextsuche eingeben