Luxemburg prüft Zwangspensionierung

Weil eine Putzfrau aus Hamburg auch über 65 weiter arbeiten will, muss sich der Europäische Gerichtshof mit der Frage befassen, ob das deutsche Recht die europäischen Antidiskriminierungs-Richtlinien bricht

In Zeiten, wo in fast allen Branchen die Beschäftigten um ihre Jobs bangen und froh sind, wenn sie das Rentenalter in Lohn und Brot erreichen, ist das Verfahren auf den ersten Blick skurril. Doch wenn schon immer nach dem einheitlichen Europa gerufen wird, ist es nur konsequent, sich damit zu befassen. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) muss sich zurzeit auf Antrag des Hamburger Arbeitsgerichts die Frage beantworten, ob deutsche Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und das deutsche Beamtenrecht durch die in ihnen vorgesehene Zwangspensionierung mit 65 Jahren den Tatbestand der Altersdiskriminierung erfüllen.

Gertrude Schmidt* war jahrelang als Reinigungskraft in einer Kaserne eingesetzt. Kurz nach ihrem 65. Geburtstag teilte ihr Chef ihr mit, dass ihr Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 65 Lebensjahres enden würde. Dabei berief er sich auf die Rahmentarifvertrag des Gebäudereiniger-Handwerks.

Die Frau klagte auf Weiterbeschäftigung und Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. „Ein automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit 65 Jahren ist eine Altersdiskriminierung“, sagt ihr Anwalt Klaus Bertelsmann. „Es verstößt gegen Europarecht.“ Zwar lasse das deutsche Antidiskriminierungsgesetz (AGG) die Möglichkeit einer Altersgrenze zu, diese verstoße aber gegen die Antidiskriminierungs-Richtlinien der Europäischen Union, die bei der Umsetzung ins deutsche Recht nicht genau genug genommen worden seien. Auch das Bundesarbeitsgericht hatte im vorigen Sommer eine Altersgrenze für das Gebäudereiniger-Handwerk für zulässig erklärt.

Das Hamburger Arbeitsgericht unter dem Vorsitzenden Richter Peter Stein, der auch schon Kommentare zum Allgemeinen Gleichstellungsgesetz veröffentlicht hat, folgte der Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht. Vielmehr nahm es die Anregung von Anwalt Bertelsmann auf, mittels eines Vorlagebeschlusses vom Europäischen Gerichtshof klären zu lassen, ob „innerstaatliche Regelungen“ gegen die EU-Normen verstoßen. Danach dürfen Arbeitgeber Tarifverträge abschließen, die Arbeitsverhältnisse zu einem bestimmten Lebensalter beenden – und dies, ohne die wirtschaftliche, soziale und demografische Situationen zu berücksichtigen.

„Normalerweise dauert die Beantwortung solcher Vorlagen durch den Europäischen Gerichtshof 18 Monate“, sagt Anwalt Bertelsmann. Es möge sein, dass „unter bestimmten arbeitsmarkpolitischen Umständen“ solche Altersgrenzen geregelt werden können. In Deutschland seien die Altersgrenzen in Tarifverträgen jedoch seit Jahrzehnten Standard.

„Dies ist eine pauschale Diskriminierung derjenigen, die das 65. Lebensjahr erreichen“, beklagt der Arbeitsrechtler. Er gehe davon aus, dass das Gericht in Luxemburg „diese Zwangspensionierung“ kippe.“ KAI VON APPEN

*Name geändert