Schon im elften Jahr wird gebremst

Seit 1992 dreht der Gesetzgeber kontinuierlich am Anstieg der Rente. Schon ohne die Rürup-Vorschläge werde die Rente in dreißig Jahren um mindestens ein Drittel geringer ausfallen, sagen Kritiker in den Reihen der Kommission

BERLIN taz ■ Fünf der 26 Mitglieder der Rürup-Kommission haben Minderheitenvoten verfasst. Es sind die DGB-Vizevorsitzende Ursula Engelen-Kefer, IG-BAU-Chef Klaus Wiesehügel, die Schering-Bürokauffrau Nadine Schley, der BMW-Betriebsratsvorsitzende Manfred Schoch sowie Barbara Stolterfoht, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Sie sprechen sich dagegen aus, das Rentenalter von 65 auf 67 Jahre anzuheben und einen Nachhaltigkeitsfaktor einzuführen. Eines der zentralen Argumente der rebellischen fünf: Bereits die Gesetzesänderungen seit 1992 werden bis 2030 dafür sorgen, dass die Renten um mindestens ein Drittel geringer ausfallen.

Um ein gängiges Missverständnis zu vermeiden: Die Renten werden nicht im Vergleich zum heutigen Niveau sinken, das bei Männern derzeit durchschnittlich knapp 900 Euro beträgt und bei Frauen 460 Euro. Nein, gemeint ist, dass die Renten weit weniger steigen, als dies nach den ursprünglichen Rentenformeln vorgesehen war.

Einige dieser Änderungen:

Im „Rentenreformgesetz“, das 1992 in Kraft trat, wurde festgelegt, dass die Schul- und Hochschulausbildung nicht mehr mit maximal 13 Jahren angerechnet wird, sondern nur noch mit 7 Jahren (vier Jahre später wurde diese Frist auf 3 Jahre verkürzt). Wer vor dem gesetzlichen Rentenalter in den Ruhestand wechselt, muss seither einen Rentenabschlag von 0,3 Prozent pro Monat hinnehmen. Maximal ist eine Kürzung um 18 Rentenprozente erlaubt.

Das „Wachstumsförderungsgesetz“ von 1996 hob bis Ende 2004 das gesetzliche Rentenalter für Frauen, langjährig Versicherte und Arbeitslose auf 65 Jahre an.

Im „Haushaltssicherungsgesetz“ von 1999 setzte der Staat fort, was er schon 1995 begonnen hatte: Er senkte die Beiträge für Arbeitslosenhilfeempfänger an die Rentenkassen. Zudem wurden im Jahr 2000 die Renten nur an die Inflationsrate angepasst.

Im Rentenreformgesetz von 2001 wurde die Versorgung der Hinterbliebenen gesenkt. Statt 60 Prozent der Altersrente des Verstorbenen erhalten sie nun nur noch 55 Prozent (wenn sie keine Kinder erzogen haben). Schon seit 1986 wird das eigene Erwerbseinkommen des Hinterbliebenen angerechnet, seit 2001 werden auch alle anderen Einkommensarten berücksichtigt. Das Rentenalter für Schwerbehinderte stieg auf 63 Jahre.

Bis zu diesem Zeitpunkt wurde vor allem an Gruppen gespart, die zum Rand der Gesellschaft gehören: also Arbeitslosen, Hinterbliebenen, Frauen. Die männlichen Hauptverdiener blieben weitgehend ungeschoren. Dies ändert sich mit der Rentenreform 2001 durch die Einführung der Riester-Rente. Sie ist ein qualitativer Wechsel, denn erstmals wird die Eckrente des künftigen Standardrentners gesenkt. Perspektivisch soll sie von 70 auf 67 Prozent des Nettolohns sinken. Parallel dazu sollen die Arbeitnehmer privat vorsorgen; dabei werden sie vom Staat gefördert. Seit 2002 steigt der Beitrag sukzessive, ab 2008 sollen sie 4 Prozent ihres Einkommens für die Riester-Rente abzweigen. Da dies die Nettolöhne der Beschäftigten senkt, werden auch die Leistungen an die heutigen Rentner sukzessive reduziert. Bei dieser Rechnung ist sich die gesamte Rürup-Kommission einig: Schon allein durch die Riester-Reformen werden die Renten künftig nicht mehr 48 Prozent der Bruttolöhne ausmachen, sondern nur noch 42 Prozent.

Neben diesen Kürzungen gibt es aber auch rentensteigernde Maßnahmen, vor allem die verbesserte Anrechnung von Kindererziehungszeiten. Bei Kindern, die bis 1991 geboren wurden, zählen Ausfallzeiten der Eltern wie das Beitragsjahr eines Durchschnittsverdieners. Bei Kindern, die nach dem 1. Januar 1992 zur Welt kamen, werden 3 Jahre angerechnet. Das macht pro Kind und Jahr eine Monatsrente von 23,13 Euro aus. Damit sind erziehende Mütter besser gestellt als viele arbeitende Frauen. Denn nur wenige weibliche Angestellte erreichen den Durchschnittslohn, der momentan bei etwas mehr als 29.000 Euro liegt. ULRIKE HERRMANN