Liberias neuer Präsident für alle Seiten

Der künftige Übergangspräsident Gyude Bryant ist nicht vorbelastet und stößt bisher überall auf Zustimmung

FREETOWN taz ■ Der künftige Präsident Gyude Bryant schien der unbefangenste Kandidat von allen zu sein. Das gab wohl den Ausschlag, dass Liberias Bürgerkriegsparteien sich auf den 54-Jährigen einigen konnten. Die auch wegen der Unterstützung durch die USA lange als Favoritin gehandelte Johnson-Sirleaf holte ihre frühere Nähe zu Expräsident Charles Taylor ein. So stimmten selbst die Regierungsvertreter lieber für Bryant. Der groß gewachsene Mann hatte sich nie auf die Seite einer der rivalisierenden Gruppen gestellt.

Als Führer einer Kirche und Geschäftsmann genoss er einen unparteiischen Ruf. „Ich habe hier die ganze schwere Zeit durchgestanden. Ich sehe mich als Versöhner“, sagte er kurz nach der Ernennung am Donnerstag. Als Chef der „Liberia Action Party“ zog er es vor, nicht zu sehr die Aufmerksamkeit des früheren starken Mannes von Liberia, Charles Taylor, auf sich und die Partei zu ziehen. Aber als einziger Vertreter politischer Parteien soll er bei einer der letzten Gespräche mit Taylor diesem heftig widersprochen haben. Auch gegenüber den Rebellen nahm er kein Blatt vor den Mund. Seine Herkunft von der Volksgruppe der Grebo, die bislang keine politische Rolle spielte, gilt als weiterer neutralisierender Faktor.

Die Stimmung in Monrovia zeigte in den vergangenen Wochen, dass die Liberianer eine Führungsperson wünschen, die sie durch diese schwere Zeit führt. Eine Führungs- oder Kontrollfunktion des Parlamentes oder der Gerichte konnten die Liberianer in den vergangenen Jahrzehnten nicht erfahren. Das Charisma der jeweiligen Machthaber war entscheidend: von Charles Taylor bis hin zu Samuel Doe. Als Taylor vor zwei knapp zwei Wochen ins Exil ging, blieben nicht wenige Anhänger zurück. Viele sagen, er habe den Liberianern eine Identität gegeben.

Doch Frieden heißt jetzt die Priorität der neuen Staatsführung um Bryant. Im Oktober wird der jetzige Übergangspräsident Moses Zeh Blah zugunsten von Bryant zurücktreten. 2005 soll dann ein Präsident vom Volk gewählt werden. Die Aufgaben Bryants, Vater dreier erwachsenen Kinder, sind benannt: Enge Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen bei der Vorbereitung der Wahlen, Demilitarisierung von Kämpfern und die Wiederherstellung der Ordnung, wozu auch Elektrizität gehört.

Trotzdem machen sich Liberianer Gedanken über Bryants Charisma. Die Zeitung The Perspective beschrieb den Führer der „Episcopal Church“, eine der größten Kirchen des Landes, noch vor der Ernennung als zwar entscheidungs- und verhandlungsstark. Aber wegen zwischenmenschlicher Mängel und der Beeinflussbarkeit durch andere habe er kaum Chancen aufs Präsidentenamt. Außerdem habe der Importeur von Schwermaschinen vor allem durch Libyenkontakte Einfluss bekommen. Sein Vizepräsident wird der Lehrer Wesley Johnson von der „United Peoples' Party“. HAKEEM JIMO