GESUNDHEITSKOMPROMISS: DIE UNION VERSCHLIMMERT DIE REFORM
: Wettbewerb der Bürokratien

Nur zur Einordnung: Es werden nicht mehr zahnlose Bürger herumlaufen als heute. Denn weiterhin werden die meisten von uns ja gezwungen, sich gegen die Kosten von Kronen, Brücken und Gebissen zu versichern – jedenfalls gegen rund die Hälfte der Kosten.

Die mit den privaten Extraversicherungen werden weiterhin selbst die Backenzähne blütenweiß und aus Keramik überkronen lassen. Die mit den Durchschnittsversicherungen und -einkommen werden weiterhin hoffen, dass Gold auch noch was hermacht – wenn man schon den Preis einer Weltreise dafür bezahlt. Und wer gar nichts zahlen kann oder will, wird sich irgendwann an die Zahnlücke gewöhnt haben, oder er gilt als Härtefall, dessen Behandlung vom Staat bezahlt wird.

Was die Gesundheitsverhandlungsrunde von vorgestern Nacht erbracht hat, wird sich also nicht unmittelbar in der Qualität der deutschen Gebisse widerspiegeln. Ulla Schmidt, Horst Seehofer und Co. haben sich lediglich darauf geeinigt, wie man das Ungetüm von „Kompromiss“ umsetzt, das Gerhard Schröder und Angela Merkel den Fachleuten aufgedrückt haben. Demnach sieht der geforderte „faire Wettbewerb“ der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung nun also so aus, dass die 320 gesetzlichen Kassen eine eigene Zahnersatzversicherung aufbauen und sich auf einen Einheitspreis für alle Mitglieder einigen. Und wer von denen will, kann zu den Privaten gehen. Die allerdings sind jetzt auch sauer, weil sie mit einem Standardpreis der Gesetzlichen von, sagen wir, 6 Euro pro Mitglied und Monat eben nicht konkurrieren können. Das haben sie zwar immer gewusst: Sie hatten jedoch auf die Chance gesetzt, dass den Gesetzlichen der Zahnersatz ganz weggenommen würde.

Das ganze Gedöns wird genau eines zur Folge haben: mehr Papierkram für alle Beteiligten. Die gesetzlichen Kassen werden neue, hervorragend verdienende Bürofachkräfte einstellen und unendlich viel untereinander zu verhandeln haben: Wer hat wie viele Härtefälle? Wer verwaltet den gemeinsamen Topf dafür? Die Arbeitgeber werden noch mehr Personaldaten erheben und verarbeiten müssen. Die Versicherten schließlich werden mit Werbematerial der Privatversicherer überschwemmt werden und unverständliche Briefe mit ihrer Kasse wechseln müssen.

Unterm Strich bleibt das, was alle Freunde der Privatisierung immer am lautesten beklagen: Bürokratie. Mögen sie ihre Proteste doch bitte zukünftig direkt an ihresgleichen richten: die Union. Sie, die unbedingt private Elemente ins gesetzliche Gesundheitssystem injizieren wollte, hat uns das schließlich eingebrockt. ULRIKE WINKELMANN