Enklave rebellischer Verspieltheit

Seit zehn Jahren presst das Kölner Label „WortArt“ Kabarettnummern auf CD. Neben den bekannten Interpreten werden Nachwuchskünstler unter Vertrag genommen. Auch Hörspiele werden produziert

Von Ingo Petz

Geisterjäger und Sternenkrieger, Kabarettisten und Clowns. Hier sind sie zu Hause. „Spaß muss sein. Auch wenn‘s nicht immer lustig ist!“ Das prangt auf einem großen, schwarzen Plakat. Eine Drohung? In einem Büro steht ein Spielzeugkran, sphärische Elektroklänge wimmern. Ein Mann in Jeans und Shirt hat die Füße auf seinen Schreibtisch gelegt, zupft vor seinem Laptop auf einer Gitarre. Die Wohnung in der Kölner Lindenstraße ist aber keine Bühne für Rockstars, kein Spukschloss und auch kein Varieté – wer hier allerdings ein paar Mal war, weiß, dass die Wohnung von allem ein bisschen ist. Sie ist ein Spielplatz oft wahnwitziger Ideen, eine Enklave rebellischer Verspieltheit, die dem öden Mainstream ein krasses Schnippchen geschlagen hat.

Vor zehn Jahren erschien ausgerechnet mit der Stunksitzung die erste CD des Kölner Labels „WortArt“. Und damit begann eine gute Geschichte über Mut und eine wohltuende Überheblichkeit, der Deutschland heute das kompakteste akustische Archiv der aktuellen Szene verdankt. „Alle haben uns für bekloppt erklärt, als wir vorhatten, Kabarettnummern auf CD zu pressen. Alle.“ Alex Stelkens sagt das mit einem nachgeschobenen Lachen – so wie einer, der es besser wusste. Natürlich wusste er es nicht besser. „Aber du musst an dich glauben. Das ist das Geheimnis“, sagt der 38-jährige Geschäftsführer und Inhaber von „WortArt“. Heute veröffentlicht das erfolgreichste deutsche Kabarett- und Comedylabel bis zu 20 CDs im Jahr. Im Backkatalog finden sich Harald Schmidt, Lisa Fitz und natürlich Dieter Nuhr, der Star des Hauses. Auch Altstars wie Hanns Dieter Hüsch, Richard Rogler oder der bereits verstorbene Matthias Beltz werden bei „WortArt“ verlegt. „Solche Zugpferde braucht jedes Label, so können wir auch viele Nachwuchskünstler unter Vertrag nehmen, deren CDs sich vielleicht nicht so gut verkaufen“, sagt Stelkens. „Uns muss es intellektuell und kulturell gefallen. Dann machen wir es. Und es darf nicht zu weit unter der Gürtellinie sein.“ Wer die Künstler fragt, hört oft, dass „WortArt“ fair, motiviert und sympathisch sei oder „die glauben an das, was sie tun“. Die künstlerische Freiheit ist voll und ganz gewährt – „denn davon leben wir“. Mutig ist das Team um Produzent Patrick Simon und Regisseurin Alexia Agathos. Denn auch vor künstlerisch waghalsigen Projekten schreckt man nicht zurück. So gibt es auch Serdar Somuncus kontrovers diskutierte Lesung aus Hitlers „Mein Kampf“.

Über 50 Künstler stehen in der Liste und irgendwann, wenn jemand eine Doktorarbeit über den Wandel des deutschen Humors schreiben will, ist er bei Stelkens und seinem Team an der richtigen Adresse. „Natürlich sind wir nicht vollständig, aber wir haben schon einen gewissen dokumentarischen Anspruch“, sagt der Chef. Kabarett legte so den Grundstein für die Kölner Erfolgsgeschichte, die Stelkens allerdings nicht so beschrieben wissen will, „denn schließlich war alles harter Kampf. Mit Rückschlägen. Aber so muss das sein.“

Vor ein paar Jahren gelang dem Team der Aufbau eines zweiten Standbeins. Mit dem Regisseur und Drehbuchautor Oliver Döring produziert man nun aufwändige Hörspiele – und zwar „John Sinclair. Der Geisterjäger“ nach den Romanen von Jason Dark alias Helmut Rellergerd aus Bergisch Gladbach.

Damit gelang der Sprung in die Charts, was noch nie einem Hörspiel gelungen war. Und ab September marschieren auch Darth Vader und C3-PO durch die Wohnung in der Kölner Lindenstraße. Denn Alex Stelkens konnte sich die Hörspielrechte von Lucasfilms für „Star Wars“ sichern. Stelkens, der sich selbst als realistischen Visionär bezeichnet, hofft, dass dies die Zukunft von „WortArt“ auf solide Beine stellt und damit die Arbeit von zehn Mitarbeitern sichert.

An Krisen oder Träume wurde Anfang des Monats erstmal nicht gedacht – das Zehnjährige wurde gefeiert. Mit all den Wortkünstlern und Vampirschaffern. Und das, obwohl Kabarettisten lieber in ihrem Schneckenhaus bleiben, bevor sie sich emotional zu weit aus dem Fenster lehnen. So wie der „Bestsellerfresser“ Wolfgang Nitschke. Sein Glückwunsch: „Die Welt ist einfach scheiße. Aber mit ‚WortArt‘ ist sie erträglich – einigermaßen.“