Die Naive

„Ab jetzt pass’ ich genau auf“, verspricht Sandra W. Sie vergaß, Mutters Sparkonto und das eigene zu addieren

s war die Mutter, die sich um die Bildung von Sandra W. sorgte. Als Sandra fünf war, fing ihre Mutter an, auf ein Sparbuch einzuzahlen. Fünf Mark pro Monat. Mit dem Geld wollte sie ihrer Tochter die Chance auf eine gute Ausbildung zusammensparen. Es war damit aber auch die Mutter, die jetzt die Bafög-Behörde dazu veranlasste, von Sandra Wilowski alle Fördergelder zurückzuverlangen.

Die Summe, die sich aus 21 Jahren Sparsamkeit ergeben, 9.000 Euro, wird nun für die Rückzahlung nach den Regeln des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (Bafög) draufgehen. Eine Rechnung wird das sein, wie Sandra sie nie bekam: 12.500 Euro. „Als die mir zuerst geschrieben haben“, sagt sie, „habe ich überhaupt nicht gewusst, was Sache war. Ich sei irgendwie über dem Freibetrag.“

Vom Sparzwang der Mutter gewusst

Sandras Ratlosigkeit hatte sich schnell geklärt, als sie die Beträge ihre Sparbücher zusammenzählte. Zusammen mit dem, was Sandra nach dem Abi in einem trockenen Sommerjob für ihr eigenes Sparbuch verdient hatte, fast 4.000 Euro, war das mehr Erspartes als der Gesetzgeber erlaubt. Die Freibeträge lagen früher bei 3.100 Euro auf dem Sparbuch, zuletzt wurden sie auf 5.200 Euro erhöht. „Ich habe immer nur darauf geachtet, dass mein eigenes Sparbuch nicht zu viel Geld hat“, sagt Sandra. Von Mutters Sparzwang hat sie zwar gewusst. Aber das Geld schwirrte nur irgendwie im Bewusstsein. Die Tatsache, nicht die Summe.

Einerseits, sagt Sandra jetzt, sei es schon sehr hart, wie sehr Studierende betrogen hätten: „Es soll ja auch solche geben, die Zinseinkünfte von 200.000 Euro jährlich hatten – ohne sie anzugeben.“ Sie schämt sich, nun auch irgendwie zu den Betrügern dazuzugehören. Und noch mal würde ihr dergleichen bestimmt nicht passieren. „Ich pass’ jetzt immer ganz genau auf mit allen finanziellen Angelegenheiten“, sagt sie. Und sie sieht ein, dass etwas Geld da war, um ihr Lehramtsstudium aus eigener Tasche mitzufinanzieren. Da müsse der Staat nicht auch noch zahlen. Einerseits. Andererseits „steht man nach dem Studium ohne einen Pfennig da“. Lehrlinge zum Beispiel könnten bereits ziemlich früh mit dem Sparen beginnen. Die von sechs Jahren Studium abgenutzten Regale endlich mal gegen neue austauschen, das wäre ja eigentlich ganz schön gewesen.

Sandras Mutter musste hart arbeiten für das gesparte Ausbildungsgeld. „Sie hat dafür in der Fabrik gearbeitet, wir sind wirklich keine Bonzen“, sagt Sandra. Wenn die Mutter gewusst hätte, dass sie die fünf Mark im Monat für ihre Tochter nicht zusätzlich abzweigt, sondern als Alternative zum Bafög – denn für die Rückzahlung wird es ja jetzt verbraucht –, dann hätte sie sich vielleicht lieber selbst etwas Schönes gegönnt. MAREKE ADEN