KUNSTRUNDGANG
: Dominikus Müller schaut sich in den Galerien von Berlin um

Berlin – Charlottenstraße Ecke Leipziger Straße; Bruchlinie im Gefüge der Stadt: im Norden die Neue Mitte, im Süden und Westen Unmengen leerstehender Büroräume und der Potsdamer Platz, im Osten die Reste des edlen Versuchs, das Proletariat in riesigen Plattenbausilos auch mal im Stadtzentrum anzusiedeln. Alles in allem: mittendrin und doch etwas randständig. Was das riesige Schaufenster an der Ecke präsentiert, fällt da schon gar nicht mehr so richtig ins Gewicht. Lange Stoffbahnen hängen hier von der Decke. Drei etwas billig aussehende Plastik-Mannequins vervollständigen das Bild. Doch was sich wie ein etwas heruntergekommener Textilladen ausnimmt, in dem schon länger niemand mehr eingekauft hat, entpuppt sich als Galerie. Und „Himalaya Fabrics“, so der Name des Fake-Geschäfts, ist Teil der Ausstellung von Guillaume Bijl. Drinnen dann hat Bijl gleich noch eine Art Kolonialmuseum in die Räume von COMA gestellt, inklusive auratischer Beleuchtung und inzwischen schon leicht angestaubten Palmen. Doch auch hier ist wieder nichts, wie es scheint. Gezeigt werden keine Schrumpfköpfe, Speerspitzen und mythischen Amulette, sondern angebliche Devotionalien großer Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts – Einsteins Brille etwa. Oder Churchills Football, wenn ich mich richtig erinnere. Raus auf die Straße und weiter, entlang an immer mehr Galerien: Thomas Schulte zeigt eine neue Ausstellung von Katherina Sieverding, die Galerie Buchmann eine Gruppenausstellung. Dann Ankunft im Galeriezentrum rund um Kochstraße, Marktgrafenstraße und Lindenstraße. Langsam schlendere ich von einer Galerie zur anderen. Das ist ja alles ganz schön hier, zum Beispiel die tagebuchartigen Videoschnipsel von Michel Auder bei Scheibler Mitte, aber nach Bijls ranzigem Stoffladen kann mich das alles nicht mehr so richtig begeistern.

Guillaume Bijl, COMA Centre for Opinions in Music and Art, Leipziger Straße 36/Charlottenstraße 24, Di.–Sa. 11–18 Uhr, bis 7. März