Rechtes Partyvolk in Pankow

Neonazis feiern auf einem rechten Konzert in Pankow. Anwohner berichten von rechtsextremen Liedtexten. 200 Polizisten umstellen das Gelände, belassen es jedoch bei „Gefährdeansprachen“

von HEIKE KLEFFNER

Zu einem „Rudolf-Heß-Gedenkkonzert“ versammelten sich am Samstagabend rund 100 Neonazis auf dem Gelände einer Gaststätte in Buchholz. Anwohner in der Bahnhofstraße berichteten schockiert von rechtsextremen Liedtexten und einer größeren Anzahl von Naziskins, die sich sowohl in der Gaststätte „Kantine“ als auch in einem Zelt davor aufhielten. Nach Angaben der Polizei sollte hier ein Livekonzert des mutmaßlichen Sängers der Neonaziband „Landser“, Michael R., und der Band „Spreegeschwader“ stattfinden.

Mehrere Stunden nach Beginn der Feier umstellten dann rund 200 Beamte u. a. des Landeskriminalamts und der Sondereinheit „Politisch Motivierte Straftaten“ (PMS) das Gelände. Dabei sei es jedoch lediglich zu so genannten Gefährdeansprachen gekommen, so die Polizeipressestelle. Es habe weder Festnahmen noch Beschlagnahmungen gegeben. Nach Angaben der Polizei gab es auch keine Liveauftritte, sondern nur „szenetypische Musik“ vom Band.

Beobachter zeigten sich weder über den Termin der Feier noch über die geplanten Auftritte überrascht. Schließlich hatten Berliner Neonazis, darunter die Kameradschaft Tor aus Friedrichshain sowie der bekannte Neonaziaktivist Oliver Schweigert, am selben Tag noch im bayrischen Wunsiedel gemeinsam mit rund 3.000 Gesinnungsgenossen an einem Aufmarsch für den Hitler-Stellvertreter und verurteilten NS-Kriegsverbrecher Rudolf Heß teilgenommen. „Immer häufiger finden im Anschluss an Aufmärsche auch Konzerte statt,“ so die Beobachter.

Bei den angekündigten Live-Acts handelt es sich um Berlins bekanntes RechtsRock-Vertreter: Michael R. sitzt als mutmaßlicher Sänger der Band Landser unter dem Vorwurf der „Rädelsführerschaft“ in einer „kriminellen Vereinigung“ derzeit zweimal wöchentlich auf der Anklagebank im Kammergericht Berlin. Die 1994 gegründete Band Spreegeschwader kündigt seit Wochen im Internet die Veröffentlichung ihrer sechsten CD für Anfang August an. Sie trägt den Titel „Gefangen im System“, Lieder heißen etwa „Das Lied vom Hasse“. In einer Unterzeile heißt es: „Zurück aus dem Dunkel mit neuer Musik. Hart und aggressiv, denn es ist Krieg …“

Ein Sprecher der Pankower Antifa-Offensive kritisierte, dass die Polizei lediglich Gefährdeansprachen durchführte. „Das Problem ist, dass Neonazis vor und nach so genannten Feiern und Konzerten noch mehr als im Alltag eine Bedrohung für alle darstellen, die nicht ins rechte Weltbild passen.“ Zudem komme es verstärkt zu rechtsextremen Aktivitäten im Bezirk. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Regionalstudie des Zentrums Demokratische Kultur (ZDK). Laut Verfassungsschutzbericht wurden in Pankow im vergangenen Jahr 129 „politisch rechts motivierte Straftaten“, darunter 5 Gewaltdelikte, registriert. Damit liegt Pankow bei der Summe der Delikte berlinweit an zweiter und bei Gewalttaten an vierter Stelle. Das letzte größere Neonazikonzert im Bezirk fand im Februar 1999 im Vereinshaus einer Pankower Schrebergartenkolonie mit rund 300 Rechten und Spreegeschwader statt.