Franzi zum Anfassen

Acht deutsche Olympiaschwimmer geben in Wiesbaden ein öffentliches Training. Zusammenstöße mit älteren Herren bleiben da nicht immer aus

WIESBADEN taz ■ Gut sieht sie aus, sehr schlank, groß sowieso, Jeans auf den Hüften, Badeschlappen an den Füßen, Blick aufs Handy gerichtet, als sie um 8.05 Uhr Ortszeit die paar Schritte vom Parkplatz zum Eingang des Wiesbadener Hallenbades schlurft. „Was is’n hier los“, sind ihre ersten Worte, als sie von ihrem Handy aufschaut, in das sie gerade eine SMS getippt hat und auf Kamerateams, Zeitungsreporter und Autogrammjäger blickt. „Öffentliches Training“, sagt jemand. „Ach du Scheiße“, entfährt es Franzi. „Hast du das nicht gewusst?“ „Nee.“

Der Star war „not amused“. Franzi van Almsick sucht keine Publicity, aber die Öffentlichkeit findet sie. Vor allem wenn die Lokalzeitung „Franzi zum Anfassen“ ankündigt. Selbst wenn sie dann früh morgens bei Nieselregen eine halbe Stunde vor der Zeit auftaucht. Die gewünschten Autogramme gibt sie trotzdem, wenn auch nicht gerade strahlend.

Das öffentliche Training von neun Olympia-Schwimmern im einzigen Wiesbadener Becken mit 50-Meter-Bahn hatte für einen spürbaren Publikumsandrang gesorgt und auch das Medienaufkommen war für provinzielle Sportverhältnisse gewaltig. Zwei Kamerateams, drei Radioreporter, ein halbes Dutzend Fotografen und ebenso viele schreibende Kollegen schwirrten am Beckenrand umher und schauten ins Wasser. Eigentlich wollten die Schwimmer, die am Dienstag ab 11 Uhr in Mainz ihre Olympia-Einkleidung hatten, in Frankfurt trainieren, doch das Bad des Landessportbundes wird gerade renoviert. Da bot sich Wiesbaden an. „Am Freitag kam das Thema auf den Tisch und heute sind wir hier“, freute sich Oliver Grossmann, Heimtrainer des Wiesbadener Schmetterling-Schwimmers Helge Meeuw, über das unbürokratische Miteinander. Gleichwohl gab er zu: „Es war etwas gewagt“, und zeigte sich erleichtert, dass der ganz große Massenansturm ausblieb: „Ich hatte gedacht, es wäre schlimmer.“ 30, 40 Kinder und Jugendliche am Beckenrand waren zu verkraften.

Um viertel nach acht überraschte Franzi die Kameraleute, als sie vom Beckenrand ins Wasser sprang, was ja eigentlich verboten ist. Eine Bahn Kraul, eine Bahn Delfin. Im Restbecken reckten sich ergraute Köpfe: „Ist sie das?“ Zwei Bahnen waren abgesperrt für die Leistungssportler, auf den anderen drei tummelten sich die üblichen Badegäste, ältere Semester vornehmlich, die sich von dem Rummel nicht aus der Ruhe bringen lassen wollten.

Auf einem Plastikstühlchen am Beckenrand saß Bernd van Almsick und begutachtete das Schauspiel. Zusammen mit Ehefrau Jutta hatte er die berühmte Tochter am Vortag am Frankfurter Flughafen abgeholt, wo sie aus dem dreiwöchigen Höhentrainingslager aus der Sierra Nevada eingeflogen war. Turbulent wurde es kurz vor halb neun, als auch noch die restlichen acht Olympioniken des Tages auftauchten, darunter immerhin zwei weitere Weltmeisterinnen: Antje Buschschulte und Hannah Stockbauer.

Es war nur ein Rückanpassungstraining, um nach der dünnen Luft in der Höhe wieder in den Niederungen anzukommen. Geschlampt wurde dreieinhalb Wochen vor den Olympischen Spielen unter den Augen von Bundestrainer Ralf Beckmann dennoch nicht. Antje Buschschulte entschuldigte sich, nachdem sie fünf Minuten den Reportern und Fans geschenkt hatte, und deutete aufs Becken: „Ich muss da jetzt rein, hab’ ziemlich viel Programm. Ich muss schwimmen, schwimmen, schwimmen.“ 5,3 Kilometer hatte ihr Heimtrainer Bernd Henneberg für den Tag aufgegeben, wenn auch nur mit 150 Pulsschlägen pro Minute. Nach Hälfte der Strecke gab sie ihr Zwischenfazit: „Das Wiesbadener Wasser fühlt sich gut an. Nur die Leinen sind etwas schlabberig. Ich stoße ständig mit älteren Herren zusammen.“

Gegen zehn Uhr krabbelte Hannah Stockbauer aus dem 28 Grad warmen Wasser. Sie fand es nicht ungewöhnlich, im normalen Badebetrieb mit zu schwimmen: „Ich mach das zu Hause auch.“ Sie findet es sogar motivierend: „Ich komm mir dann immer so schnell vor.“

Zu diesem Zeitpunkt war Franzi schon lange wieder weg. Kurz vor neun hatte sie ihr Trainingspensum beendet, stand mit Handtuch um die Hüften im abgesperrten Bereich. 30 Kids und eine handvoll Reporter drängelten sich um die besten Plätze in ihrer Nähe. Um 9.05 Uhr machte sie sich dann an die Arbeit, kritzelte ihren Namen auf alle im Weg stehenden T-Shirts, Kappen und Notiz-Blöcke, warf den Radio- und Fernsehleuten sogar noch ein paar Wortfetzen zu und posierte schließlich, als auch an der anderen Beckenseite der Fluchtweg versperrt war, noch für drei, vier Erinnerungsfotos. Eine Kindergruppe rief noch „Franzi, hau rein“ hinter ihr her, doch da war sie schon weg. ACHIM DREIS