Wie haben sie das gemacht, Mr. Mega?

„Frag‘ nicht mich, frag‘ mein‘ Stift“: Der Bremer Rapper Flomega (from uptown Neustadt) setzt auf den Mut zur Leichtigkeit und auf den Einsatz der Mundharmonika

Das Sich-Verlieren-Können als Metadisziplin: „Wenn du keinen Willen hast, improvisiere – dann weisst du, dass du doch ‘nen Willen hast“

„Mein Astralkörper ist weg. Die letzte Nacht war zu krass.“ Flomega schaut in die Ferne, als wäre da was. Aber da ist nichts. Sein Blick verliert sich, und genau das ist es, worum es geht, wenn Flomega in die Welt schaut: Das Sich-Verlieren-Können ist so etwas wie die Metadisziplin des 24-jährigen Rappers aus der Neustadt. „Mut zur Leichtigkeit“ nennt er das, „die meisten können‘s doch nicht ertragen, wenn etwas mit Leichtigkeit geschieht und nicht durch harte Arbeit. Wenn du keinen Willen hast, improvisiere – dann weisst du, dass du doch ‘nen Willen hast.“

Text und Flow als Besinnung und Selbstschutz, so versteht er seine Musik: „Frag‘ nicht mich, frag‘ mein‘ Stift / der ist mein Therapeut / Was mir bleibt ist das Pure / der Pinsel, die Farbe“ rappt Flomega in seinem Song „Kouros und Kore“. Er will es ja gar nicht, „aber meine Texte sind leider Gottes politisch“. Explizite Botschaften wie die der Beginner aus Hamburg oder der Berliner Bruda & Kronstädter gibt‘s bei Flomega allerdings nicht, seine Gesellschaftskritik ist Karikatur und beschreibt gängige Erlebniskultur als gähnende Leere.

Ghetto, Drogen, Sex und Gewalt kommen in Flomegas Lyrics ziemlich kurz. Alles, was ihn mit den Gangstas verbindet, ist der Battlestyle vieler seiner Texte. Besser werden, besser sein – ohne Diss kommt HipHop nicht aus. Die Ellenbogen der Leistungsgesellschaft sind ureigenster Bestandteil des HipHop.

Nicht zuletzt deshalb lässt sich der Stand der Dinge so gut an HipHop ablesen. Der derzeit meistverkaufte deutsche HipHop kommt vom Label Aggro Berlin und Künstlern wie Bushido, deren Texte zu großen Teilen nichts anderes tun als sexuell frustrierten Machos ihre Vergewaltigungsfantasien vorzukauen. Aber die Kids stehen drauf. Und Deutschrap hat endlich seine soziale Diaspora. „Das ist so ein Bullshit“, meint Flomega, „immer das gleiche Klischee der Gewalt und heute drückt sie sich halt so explizit aus.“

HipHop, so Flomega, sei keine Frage der sozialen Stellung: „Entweder du hast es oder nicht. Und ich hab‘s.“ Wer Flomega live erlebt hat, wird nicht leugnen, dass er hier recht behält. Denn er setzt nie nur auf Rap: Flomega singt über flockigem Jazz, improvisiert ein schnelles Poem oder macht mit seiner Mundharmonika aus Ragga urplötzlich Blues: „Muss raus. It‘s not where you‘re from but where you‘re at.“

Schnell fällt auf, dass er immer als Einzelgänger auftritt – für Beats und eine Crew sei er „zu ungeduldig“. Seine Compagnons heißen Chriss und DJ Elly Willi, aber „man wird sortierter“: Verse schreiben geht allein und nebenbei – nicht selten Anekdoten aus seiner Biographie. Und die Leute, die ihm zuhören, sind ja nicht anders: „Jeder ein kleiner Hitchcock, der seinen eigenen Film dreht, darin auftaucht und davon erzählt.“ Neben der Musik studiert Flomega Grafik-Design an der Bremer Hochschule für Künste.

Einen Namen gemacht hat sich Flomega vor allem live: als Dauergast bei Meister Proppers „Slam Poetry“ etwa oder dem Künstlerprojekt „Marnic Circus“ (beide monatlich im Lagerhaus). Anfang des Jahres ist eine EP beim Bremer Label Antifunk erschienen. Die größere Bühne winkt und Flomega will erstmal „ins Studio, die Skizzen umsetzen, Arrangements rausquetschen, und dann: vor allem Kultur walten lassen, die Küche nicht aufräumen und so.“ Robert Best

Infos und Kontakt: www.antifunk.de