„Orientierung“ für die Haltung zum Irakkrieg

Spaniens Verteidigungsminister legte seinen Militärs regierungstreue Antworten auf Journalistenfragen nahe

MADRID taz ■ „Glauben Sie mir, Saddam Hussein ist wegen seiner Massenvernichtungswaffen eine Bedrohung für die Welt und für Spanien. Wir haben dafür Beweise.“ Mit fester Stimme und treuem Blick erklärte Spaniens Ministerpräsident José María Aznar im Interview mit dem Staatsfernsehen Televisión Española vor dem Krieg im Irak, weshalb er die Intervention für notwendig hielt. Mehr als vier Monate nach Kriegsende wird auch in Spanien immer deutlicher der Vorwurf laut, die Regierenden hätten ihr Volk schlicht belogen. So soll auch der spanische Geheimdienst CNI Aznars Beweisführung über Iraks Massenvernichtungswaffen angezweifelt haben. Auch im spanischen Außenministerium gab es während des Krieges offenbar Widerstände.

Und selbst die hochrangigen Militärs scheinen an der Notwendigkeit des Kriegs im Irak gezweifelt zu haben. Wie sonst wäre Aznars Regierung, wie diese Woche bekannt wurde, auf die Idee gekommen, den eigenen Generälen und Offizieren Vorgaben zu machen, was sie Journalisten zu antworten haben?

Heraus kam nach Informationen der Tageszeitung El País eine Liste des Verteidigungsministeriums mit 62 Fragen, die Journalisten spanischen Offizieren stellen könnten. Die Antworten dachte man sich im Ministerium gleich mit aus und schickte die Vorlage den Offizieren. Die Deckungsgleichheit mit den Erklärungen von Aznar ist teilweise verblüffend. So sollten Offiziere auf die Frage, ob es im Irakkrieg auch um die Bekämpfung des „internationalen Terrorismus“ gehe, antworten: „Die Verbindungen des irakischen Regimes zum Terrorismus ist bewiesen. Es geht darum, zu verhindern, dass die Massenvernichtungswaffen in die Hände von Terroristen geraten.“

Die Offiziere wurden auch auf eine eventuelle aktive Kriegsbeteiligung spanischer Soldaten vorbereitet. So wird in der Liste auch die Frage aufgeführt, wie viel spanische Tote es geben könnte. Antwort: „Aufgrund der Form unserer Beteiligung wird diese Möglichkeit als sehr gering eingeschätzt.“ Fragen und Antworten wurden fünf Generälen und 14 hochrangigen Offizieren vorgelegt, die in den spanischen Medien während des Kriegs beliebte Interviewpartner waren. Ingesamt führten sie mehr als 150 Gespräche.

Auch die oberste Militärführung bekam Vorgaben. Sie erhielt einen Leitfaden mit dem Titel „Argumentation für Frieden und Sicherheit“. El País zufolge heißt es in diesem Papier, es sei nur „eine Frage der Zeit“, bis der „internationale Terrorismus“ die Massenvernichtungswaffen des Iraks einsetze. Diese Waffen seien „eine Gefahr auch für Spanien“, so das Regierungspapier, das die Militärführung erhielt.

Der spanische Verteidigungsminister Federico Trillo hat unterdessen bestritten, er habe die Militärs auf Regierungslinie getrimmt. Er habe sie lediglich „orientieren“ wollen, sagte der Minister in einem Radiointerview. HANS-GÜNTER KELLNER