Jubiläum mit einer Messe für Ortega

25 Jahre nach dem Beginn der sandinistischen Revolution versöhnen sich konservative Kirchenfürsten und Comandantes. Mit dem Segen der katholischen Kirche möchte Sandinistenchef Daniel Ortega im Jahre 2006 die Präsidentenwahlen gewinnen

VON RALF LEONHARD

Vergebung und Versöhnung – diese christlichen Gesten prägten die Messe, die die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Sieges über die Somoza-Diktatur einleitete. Die neue Kathedrale in Nicaraguas Hauptstadt Managua war voll gepackt mit Politprominenz, als Kardinal Obando y Bravo seinen Frieden mit den Sandinisten schloss: „Die Vergebung, wenn sie angeboten und angenommen wird, ist notwendige Voraussetzung für einen echten und dauerhaften Frieden. Man darf nicht Gefangener der Vergangenheit bleiben.“

Die Versöhnung beendet mehr als zwei Jahrzehnte der Konfrontation zwischen den Sandinisten und der konservativen Kirchenführung. Erzbischof Miguel Obando y Bravo, vom Papst 1985 für seine Haltung mit der Kardinalswürde belohnt, akzeptierte nie die von sandinistischen Priestern gepredigte Vereinbarkeit von Marxismus und Christentum. Er ist, wie es die Historikerin María López Vigil ausdrückt, „einem mittelalterlichen Gottesbild“ mit Marienverehrung und Wunderglaube verbunden und zieht gegen Verhütung und Aufklärung zu Felde.

Um die Vergebung zu erlangen, hatte Daniel Ortega, Exrevolutionsführer und Chef der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) für alle Schikanen, denen die Kirche während der Revolution ausgesetzt war, um Vergebung gebeten. Dafür durfte er während des Hochamts die Lesung aus dem Evangelium vortragen. Bürgermeister Herty Lewites schritt erstmals seit 45 Jahren zur Kommunion und hatte seine Lebensgefährtin drei Tage vorher geehelicht.

Die allgemeine Verbrüderung erfasste auch den Exchef der Staatssicherheit, Lenin Cerna, und Bischof Bismarck Carballo. Der damalige Assistent von Obando war vor 22 Jahren vom Geheimdienst in eine Sexfalle gelockt und vor laufenden Kameras nackt über die Straße getrieben worden. Jetzt fielen auch die beiden einander in die Arme.

Die Messe zum Gedenken an alle Opfer der bewaffneten Auseinandersetzungen der letzten Jahrzehnte war eine Initiative Daniel Ortegas, der seit Jahren die Versöhnung mit der Kirche sucht. Vor den Wahlen 2001 hatte der Kardinal noch vor einer Stimme für die Sandinisten gewarnt. In zwei Jahren hat der dann 60-jährige Ortega wohl die letzte Chance, die Präsidentschaft zurückzuerobern – ohne den Segen des Kardinals ein aussichtsloses Unterfangen.

Ortegas fast zweistündige Ansprache beim Festakt zum Revolutionsjubiläum glich denn auch einer Wahlkampfrede. Vor einem Meer rot-schwarzer Fahnen auf der nach dem Papst benannten Plaza Juan Pablo II. zog er vor allem über die Politik von Präsident Enrique Bolaños her: „Der Neoliberalismus hat eine Tragödie für Lateinamerika und die Karibik gebracht.“ Es gebe keinen Grund, dem IWF und den USA für die Streichung der Auslandsschulden zu danken, „denn wegen deren Politik mussten tausende Nicaraguaner nach Costa Rica und Miami auswandern“.

Dionisio Marenco, der im Herbst sandinistischer Bürgermeister von Managua werden will, wies Kritik, wonach der Kuschelkurs mit der Kirche eine Wahltaktik sei, zurück: „Die Versöhnung ist ein Prozess, der schrittweise erfolgt, damit die Wunden heilen können und eine bessere Gesellschaft entstehen kann.“

Nicht eingeladen wurde der Dichter und Priester Ernesto Cardenal, der wegen seines politischen Engagements während der Revolution den Priesterberuf nicht mehr ausüben darf. Selbst wenn die Sanktion aufgehoben würde, wollte er nicht mehr Priester sein, „denn dann wäre ich Kardinal Obando unterstellt“. Verstimmt über die Feiern war auch Präsident Bolaños, den die Sandinisten einst enteigneten. Für ihn ist der 19. Juli „ein Tag der nationalen Klage“.