Vereins-Anstoß mitten in der Krise

Weil sie die bestehenden Fußballvereine furchtbar fanden, gründeten Pascal Heidemann und sechs Bekannte ihren eigenen Club: den 1. FC Berlin 06. Jetzt sind sie auf der Suche nach Sponsoren – und trotz aller Probleme optimistisch

Die Zeichen stehen nicht gerade günstig für Existenzgründungen, schon gar nicht im Amateurfußball. Die um sich greifende Wirtschaftskrise klebt potenziellen Sponsoren förmlich die Geldbörse zu. Dennoch hat Pascal Heidemann es mit sechs Gesinnungsgenossen gewagt, den 1. FC Berlin 06 zu gründen. „In anderen Vereinen waren uns die Strukturen einfach zu verkrustet, zu verstaubt“, erklärt der 26-Jährige.

1. FC Berlin 06 – ein großer Name mit Metropolen-Touch für ein kleines Start-up-Unternehmen. Der Emporkömmling jagt aktuell mit zwei Herrenmannschaften und zwei Jugendteams in Freizeitligen dem Ball nach. Ein Damenteam soll hinzukommen. Nach zwei Jahren Bewährungszeit in der Hobbyliga stünde dem Verein das Tor zum traditionellen Amateurspielbetrieb des Berliner Fußball-Verbandes (BFV) offen. Das ist auch das erklärte Ziel des 1. FC 06. Doch es könnte ein harter Weg werden.

„Beim BFV schmunzeln sie ein bisschen über uns. Jeder wolle hoch hinaus, bleibe aber im Freizeitbereich stecken“, schildert der 1.-FC-Vorsitzende die Reaktionen der Zweifler. Heidemann lässt nicht locker. Getreu dem Club-Motto „Wer besser sein will als der Durchschnitt, braucht dazu ein gewisses Maß an Bessesenheit“ klappert der Student des Dienstleistungsmanagments in Reinickendorf und Wedding Einkaufspassagen ab – auf der Suche nach den raren Sponsoren. Der ursprüngliche Geldgeber des Vereins, eine Firma aus Hamburg, sei wegen Insolvenz abgesprungen. Die Zeiten werden härter. Immerhin stattete ein Energiekonzern, der aus Imagegründen kleine Vereine fördert, den 1. FC 06 mit der ersten Garnitur Sportkleidung aus.

Inzwischen zählt der 2006 angemeldete Club mit der geteilten Heimat – der 1. FC 06 spielt am Borsigplatz in Tegel, trainiert wird auf dem Sportplatz an der Swinemünder Straße im Wedding – bereits 121 Mitglieder. Und während Konkurrenzclubs nicht selten über personelle Auszehrung klagen, könnte die Zahl beim Neuling vom Borsigplatz noch steigen. Denn die cleveren Gründer haben ein indirektes Förderprogramm entdeckt. „Wir haben vom Arbeitsamt erfahren, dass der Staat Mitgliedsbeiträge für Kids unter 18 Jahren übernimmt“, berichtet Pascal Heidemann.

Fünf Euro für Jugendliche unter 18 Jahren beträgt der Mitgliedsbeitrag beim 1. FC 06 im Monat. Ein sozialer Preis für ein soziales Projekt. Denn der Anspruch der Nordberliner an ihr Vereinsleben beschränkt sich nicht auf den Sportplatz. „Wir sind jederzeit ansprechbar, wenn jemand Probleme in der Schule oder mit Drogen hat“, beteuert Heidemann. Ohne flankierende Sozialpolitik droht ein Club heutzutage offenbar rasch an Attraktivität zu verlieren.

Die Ausrichtung des 1. FC 06 genügt Multikulti-Ansprüchen. „Bei uns spielen Türken, Palästinenser und Israelis. Politisch gesehen, würden wir uns auf dem Schlachtfeld befinden“, erzählt der Vorsitzende. Sportliches Vorbild ist Arminia Heiligensee, auch so eine Kickergründung aus jüngster Zeit. Mittlerweile haben die reüssierenden Arminen – Szene-Bezeichnung: „Der FC Bayern der Kreisliga“ – den Sprung aus der Freizeitliga in die BFV-Späre geschafft.

Um es den Arminen gleichzutun, muss der 1. FC 06, dessen 1. Mannschaft in der Landesliga antritt, auch noch Meister in der nächsthöheren Verbandsliga werden. Sportliche Grenzen kennt Heidemann mit dem 1. FC 06 offenbar nicht. „Wir wollen so hoch hinaus, wie uns die Wolken tragen“, verkündet der Student.

JÜRGEN SCHULZ