Erdgasexport gebilligt

Bolivianer sprechen sich bei Referendum für Handel mit der Ressource aus. Nur: Viele stimmten erst gar nicht ab

PORTO ALEGRE taz ■ Carlos Mesa darf aufatmen: Während des Erdgasreferendums in Bolivien am Sonntag kam es zu keinen Zwischenfällen – entgegen den Drohungen der militanten Opposition um Aymara-Bauernführer Felipe Quispe. Der Frieden habe die Gewalt besiegt, sagte der bolivianische Staatschef denn auch in einer ersten Reaktion. Nun gelte es, den „unzweideutigen Willen des bolivianischen Volkes“ durch ein Gesetz über fossile Brennstoffe umzusetzen, so Mesa. Die Wähler hätten ihre Zustimmung zu seiner Energiepolitik zum Ausdruck gebracht. Mesa will Erdgas exportieren, und mit „über 60 Prozent“ habe sich das Volk stärker beteiligt als bei anderen Abstimmungen in Lateinamerika.

Zu diesem Zeitpunkt war gerade einmal ein Prozent der Stimmbezirke ausgezählt – und über die Beteiligung schwieg sich die nationale Wahlbehörde noch ganz aus. Gestern Morgen lagen dann die Ergebnisse von 12,3 Prozent der Stimmbezirke vor. Danach beantworteten tatsächlich mehr als 50 Prozent der Wähler die fünf von Mesa vorgelegten Fragen mit Ja.

Dennoch ist der Präsident längst nicht so gestärkt, wie er Glauben machen will. Trotz Abstimmungspflicht und angedrohten Geldstrafen habe sich die Hälfte der 4,4 Millionen abstimmungsberechtigten BolivianerInnen nicht an dem Referendum beteiligt, schätzte das unabhängige Radionetzwerk Erbol. Weitere 640.000 Menschen hätten sich gar nicht ins Wahlregister eintragen lassen. Und über 20 Prozent der TeilnehmerInnen hätten einen ungültigen oder keinen Stimmzettel abgegeben.

All das kratzt an der Legitimation des Präsidenten, der zwar vorsichtige Korrekturen am bestehenden neoliberalen Modell der Erdgasföderung plant, aber zugleich den Internationalen Währungsfonds IWF, ausländische Investoren oder die US-Regierung nicht verärgern will. Diese drängen unverändert auf den Bau einer teuren Pipeline bis zu einem Pazifikhafen an der chilenischen Küste. Das Gas soll dann in die USA transportiert werden. Das Projekt hatte schon im Oktober 2003 einen Volksaufstand ausgelöst. Schon wegen weit verbreiteter antichilenischer Ressentiments stößt es auf Widerstand: Im so genannten Salpeterkrieg (1879–83) hatte Bolivien seinen Küstenstreifen an Chile verloren. GERHARD DILGER