„Cap Anamur“ nach Rettung selbst in Not

Kapitän und Chef der „Cap Anamur“ sind wieder auf freiem Fuß. Aber das Schiff und die Hilfsorganisation sind in höchsten Nöten. Anamur-Gründer Rupert Neudeck kritisiert seinen Nachfolger Elias Birdel und ruft zur Rettung des Hilfsschiffs auf

VON DANIEL SCHULZ

„Ich hoffe, dass das nicht das Ende von Cap Anamur ist.“ Rupert Neudeck sorgt sich um die Organisation, die er einst gründete, um flüchtende Vietnamesen aus dem südchinesischen Meer zu retten. Wegen einer Rettungsaktion vor der italienischen Küste ist Cap Anamur in Schwierigkeiten – das Schiff genauso wie die Organisation.

Neudecks Nachfolger als Chef der Hilfsorganisation, Elias Bierdel, der Schiffskapitän der „Cap Anamur“, Stefan Schmidt, sowie eine weiteres Crew-Mitglied sind gerade erst aus einem italienischen Gefängnis entlassen worden – auf Drängen der deutschen Regierung. Ob ihre Aktion in Italien noch ein juristisches Nachspiel wegen Schleusens von illegalen Einwanderern haben wird, ist offen. Die „Cap Anamur“ selbst ist immer noch in Händen der italienischen Behörden. Werden die Deutschen als Schleuser verurteilt, könnte das 1,8 Millionen Euro teure Containerschiff sogar verschrottet werden – ein herber Schlag für die Organisation, deren nahezu ganzes Vermögen in diesem Schiff steckt. „Jemand muss auf die ‚Cap Anamur‘ und sie sichern“, sagt Neudeck, „das ist erstmal das Wichtigste.“

Am Anfang war es nicht um die Rettung von „Cap Anamur“ gegangen, sondern um das Retten von Flüchtlingen. Bierdel und die Cap-Anamur-Aktivisten wollten ein Zeichen setzen gegen das Sterben von jährlich hunderten afrikanischer Flüchtlingen auf dem Weg nach Europa. Die Mission hatte zwei Ziele: Flüchtlingen helfen – und Cap Anamur wieder bekannter machen. Am 20. Juni rettete die Crew der Hilfsorganisation 37 Afrikaner, die in einem Schlauchboot auf dem Mittelmeer trieben. Danach traf sie noch auf ein zweites Flüchtlingsboot, deren Insassen aber nicht gerettet werden, sondern lieber unbemerkt Malta ansteuern wollten.

Die „Cap Anamur“ musste danach einige Tage auf dem Mittelmeer kreuzen. Mit Sizilien stand ihr Ziel bereits fest, allerdings fehlte noch ein wichtiges Besatzungsmitglied: Elias Bierdel, der Chef der Hilfsorganistion. Er kam nach, weil er bei der symbolhaften Ankunft der Flüchtlinge dabei sein wollte.

Rupert Neudeck findet keinen Gefallen an der Aktion. „Es ist ein Unding, das Schiff so lange warten zu lassen“, sagt er der taz. „Das Schiff kostet das Geld der Spender, und mit dem muss man vorsichtig umgehen.“ Sein Nachfolger, Bierdel, hätte die Aktion besser aus dem Büro begleiten sollen. Ohnehin hält Neudeck es für einen Fehler, ein eigenes Schiff zu besitzen. Er hatte stets mit Charterschiffen gearbeitet.

Als die „Cap Anamur“ dann in italienische Hoheitsgewässer einlaufen wollte, lief es ungünstig: Italienische Polizeischiffe behinderten das Einlaufen; als sie nach Tagen ankern durfte, wurden die 37 Afrikaner festgenommen, ebenso die Kapitäne der „Cap Anamur“. Doch die Medien waren da, Cap Anamur in den Schlagzeilen.

„So etwas muss anders geplant werden“, kritisiert Rupert Neudeck dennoch. Man hätte die Aktion zuvor mit Regierungskreisen absprechen sollen und einen Deal mit dem Bund oder einem Bundesland aushandeln. „Mit dem Kopf durch die Wand ist der schlechteste Weg“, sagt Neudeck. Es habe auch Cap-intern Diskussionen um die hauptsächlich von Bierdel initiierte Flüchtlingsrettung gegeben. Neudeck fordert nun einen Plan, wie solche Aktionen in Zukunft auszusehen hätten. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass wir leichtfertig handeln“, sagt Neudeck. Von Cap Anamur war gestern keine Stellungnahme zu bekommen. Auf der Webseite der Hilfsorganisation heißt es, man wolle „sobald wie möglich zu den Fragen zum Ablaufgeschehen Stellung nehmen“.

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