Der Schatz im Silbersand

Strandsportler graben in Athen nach olympischen Metallklumpen oder erfreuen sich beim Grillen. Kiel baut kräftig auf die Beach-Volleyball-Zukunft und lockt verstärkt Talente in Deutschlands nördlichstes Bundesland

von Oliver Camp

Beach-Volleyball als ehemals belächelte Trendsportart ist in Athen erst zum dritten Mal dabei und in der Publikumsgunst den olympischen Kernsportarten Leichtathletik und Schwimmen dicht auf den Fersen. In vielen Umfragen ist das sandige Spiel trotz der Ignoranz des Leitmediums Fernsehen auf vorderen Rängen – je jünger die Befragten, desto weiter oben. Nach dem anderthalbjährigen Qualifikationszeitraum konnten die Aktiven ihre acht besten Turniere der World Tour und das bessere Ergebnis der Beach-Europameisterschaften 2003 und 2004 in die Wertung einbringen. Das Resultat ist ein Generationswechsel: Statt Ulrike Schmidt/Gundula Staub und den Hamburgern Jörg Ahmann/Axel Hager reisen hoffnungsvolle Teams an die Ägäis.

Auf gepackten Koffern sitzen die in Kiel wohnenden Stephanie Pohl (26) und Okka Rau (27/beide Hamburger SV). Die Qualifikation für den 14-tägigen Sporturlaub in Griechenland haben die beiden Beach-Profis bereits seit Ende des vergangenen Jahres sicher: In Deutschland Dauer-Nummer eins der Rangliste, weltweit unter den ersten zehn und damals amtierende Europameisterinnen. Der Weg auf das olympische Siegerinnenpodest schien für die beiden schon asphaltiert und viele Medien jazzten die beiden freundlichen und fotogenen Sportlerinnen beständig höher. Seitdem straucheln Okka und Stephie sportlich: Ihre Beständigkeit in – für ihre Maßstäbe aus dem vergangenen Jahr – schlechten Resultaten ist auch keine Nachricht mehr. Die Erklärungen, es gebe „zu viel Medienrummel, aber wegen der Sponsoren muss das sein“ oder aber „der neue Trainer ist super, doch wir können seine Vorstellungen noch nicht umsetzen“ und „bald wird der Knoten platzen“ verrinnen immer ungehörter im Sand. Getreu des amerikanischen Beach-Mottos „One-Two-Barbeque“ (in Anlehnung an das Ausscheiden nach zwei Niederlagen) können die beiden die Kühltasche vollpacken; bei Rückkehr am Kieler Hauptbahnhof wird wohl kein Edelmetall aus dem Fenster gereckt werden.

Größere Medaillen-Chance haben Markus Dieckmann (28) und Jonas Reckermann (25) als sensationelle Vierte der Olympischen Setzliste. Sie sind seit Monaten in Topform, wurden in Timmendorf Europameister und gewannen danach das Grand-Slam-Turnier in Berlin. Einzig das brasilianische Beach-Götter-Duo Emanuel/Ricardo kann siegesgewiss in einen Wettkampf mit den beiden eintreten – alle Übrigen müssen sich strecken. Für die beiden gilt: Der Grill bleibt zu Hause und die Silbermedaille wird mitgebracht.

Zwar keine Medaille, aber immerhin ehrenvolle Erwähnungen wird Danja Müsch (33) erhalten: Sie schaffte es, als einzige Deutsche bei allen bisherigen olympischen Beach-Turnieren dabei zu sein. Ähnlich verwunderlich ist der Werdegang ihrer Partnerin Susanne Lahme (35), die sich als einzige Deutsche am Strand und auch in der Halle für Olympia qualifizierte. Die beiden erzielten zuletzt beeindruckende Platzierungen, doch ein paar Grillwürste sollten im Handgepäck nicht fehlen. Das Grillfest mitfeiern kann auch Andreas Scheuerpflug bei seiner zweiten Olympiateilnahme. Mit Partner Christoph, dem „älteren“ Dieckmann-Zwillingsbruder (28), ist eventuell eine einstellige Platzierung möglich – aber die Kohlen der Frauenteams sollten noch glühen, wenn Andi (37) zum geselligen Grillfest erscheint.

Der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) schmückt sich gern mit seinen erfolgreichen StrandsportlerInnen – notwendigerweise, denn seine Auswahlteams in der Halle produzieren seit Jahren keine Höhepunkte mehr. Während Deutschland im Sand mit dem – nach dem IOC-Regelwerk – maximalen Kontingent von je zwei Beach-Teams bei Männern und Frauen anreist, wird die Qualifikation des Frauen-Hallenteams für die Olympiateilnahme bereits als „Wunder“ vermarktet. Dennoch sträubt sich der DVV gegen eine strikte leistungsbezogene Ausrichtung. Nur mit Mäuseschritten verlagert er den Schwerpunkt seiner AthletInnenförderung an den Strand. Die kostenintensive Betreuung von Hallenteams (Reisekader rund 20 Personen) ist alteingesessen und besitzt durch die Beschäftigtenstruktur im Verband eine große Lobby. Am Strand umfasst eine Reisegruppe pro Team nur selten mehr als drei Personen.

Vorreiter in Bezug auf seinen Beach-Fokus auf vielen Ebenen ist der Schleswig-Holsteinische Volleyball-Verband. Der Beach-Stützpunkt Nord lockt viele Nachwuchstalente wie die EM-Vierten Niklas Rademacher (22) und David Klemperer (24), die nur knapp an der Olympiaqualifikation gescheitert sind, nach Kiel. Die Erfolgsbilanz im Nachwuchsbereich – mit einer Gewinnquote von 75% aller international bislang vergebenen Medaillen – zeichnet einen erfolgreichen Weg in die Zukunft.