Ein bisschen Förderunterricht reicht nicht

Das „Kompetenzzentrum Sprachförderung“ zieht nach einem halben Jahr Bilanz: In Köln muss viel mehr getan werden, damit Schüler, die Deutsch nicht als Muttersprache gelernt haben, mithalten können. Bilinguale Angebote fehlen

KÖLN taz ■ Die Botschaft von Thomas Jeitner ist eindringlich: „Wir müssen eine neue Normalität in den Klassen zur Kenntnis nehmen.“ Und die sieht für den Pädagogen und Mitarbeiter der Bezirksregierung Köln so aus: heterogene Klassen mit verschiedenen Muttersprachen, ein völlig unterschiedlicher Sprachstand im Deutschen, eine Mixtur aus Kulturen und Religionen. In Köln haben vierzig Prozent der Unter-14-Jährigen einen Migrationshintergrund. Zwei Drittel von ihnen sprechen eine andere Muttersprache als Deutsch.

Diesen Realitäten ins Auge zu schauen und entsprechend neue Konzepte zu entwickeln, ist Ziel des Anfang des Jahres gegründeten „Kompetenzzentrums Sprachförderung“, einer gemeinsamen Einrichtung von Stadt, Universität und Bezirksregierung. Deutschförderung, Lehrerfortbildung, Elternarbeit und die effektive Nutzung neuer Medien sind die Aufgabenfelder, auf denen das Kompetenzzentrum agieren will. Auf einem „Sprachfest“ wurde jetzt eine Bilanz des ersten halben Jahres gezogen.

Dabei wurde beispielsweise die bisherige Zusammenarbeit der Universität Köln mit dem Hildegard-von-Bingen-Gymnasium und der Stephan-Lochner-Grundschule als sehr erfolgreich bewertet: Seit einem Semester kommen Studierende in die Schulen und geben Schülern Sprachunterricht. Davon haben beide Seiten etwas: Die Studierenden machen erste Lehrerfahrung, die Schüler profitieren von kleinen Lerngruppen.

Nun wurde eine offizielle Kooperationsvereinbarung unterschrieben. Für Thomas Jeitner reicht das jedoch nicht: „Mit ein bisschen Förderunterricht bekommen wir die Probleme nicht mehr glatt gebügelt“, meint er. Migrantenkinder müssten unter extrem schwierigen Bedingungen lernen, weil sie vielfach die Unterrichtssprache nicht richtig verstünden. Sie könnten auch ihre Muttersprache nicht einsetzen, um besser deutsch zu lernen. Denn es gibt zwar an vielen Schulen muttersprachlichen Unterricht etwa für türkische Kinder, aber der findet isoliert vom normalen Unterricht statt.

Immerhin wird mittlerweile an zwölf Kölner Schulen das Projekt „Koala“ praktiziert: Bei der „koordinierten Alphabetisierung“ erschließen sich Migrantenkinder die deutsche Sprache in Anlehnung an die eigene Muttersprache. Die „einsprachigen“, also meist deutschen Kinder lernen die andere Sprache als so genannte Begegnungssprache. Ein guter Anfang, findet Rosella Benati, die wie Jeitner bei der Bezirksregierung für zweisprachigen Unterricht zuständig ist. „Das Projekt müsste aber über die Alphabetisierungsphase hinausgehen“, fordert sie.

Benati plädiert für wesentlich konsequentere Unterrichtsmodelle, bei denen alle Kinder zwei Sprachen lernen: deutsch und die Sprache, die in der Klasse als Muttersprache überwiegt. „Die Kinder können dann miteinander und voneinander lernen“. Drei zweisprachige Schulen gibt es bereits in Köln, zwei deutsch-italienische und eine deutsch-französische. Rosella Benati hofft, dass sich, auch mit Hilfe des Kompetenzzentrums, dieses Modell weiter durchsetzt.

JEANETTE SEIFFERT