„Davon träumen private Unternehmen“

Der Bremer Professor Ernst Mönnich fordert, die Entsorgungsverträge zwischen Stadt und Hansewasser neu zu regeln: „Die Privateigner der Hansewasser erzielen im Windschatten eines öffentlichen Monopols eine Umsatzrendite von 24 Prozent“

taz: Sie kritisieren die Senatspläne, eine Abwasser-GmbH zu gründen. Die 38 Cent, die Gewerbebetriebe über einen Steuertrick pro Kubikmeter Abwasser sparen, seien nicht genug. Man sollte die Abwassergebühren für alle senken. Dafür machen Sie Vorschläge. Professor Ernst Mönnich: Ja, mehrere sogar. Das Hauptproblem beim jetzigen Vertrag zwischen Stadt und Hansewasser GmbH ist doch, dass darin zum Ausgleich der Inflation sogar eine regelmäßige Gebührensteigerung vorgesehen ist. Wohlgemerkt: Diese Erhöhung der Abwassergebühren ist nicht an tatsächliche Kosten gekoppelt. Alternativen könnte man entwickeln, wenn die 1998 vorgenommene Privatisierung des Abwasserbereichs rückgängig gemacht würde.

Welche?

Bremen könnte einen Abwasserzweckverband mit dem Umland gründen – und so auch die Bremer Kläranlage auslasten. Das wäre aber gegenwärtig nur in öffentlich-rechtlicher Form möglich. Die privaten Anteilseigner müsste man abfinden, was sicher nicht einfach würde. Grob überschlagen steckt in diesem Modell aber ein Gebührensenkungspotenzial von rund 75 Cent pro Kubikmeter – für jeden Bürger, nicht nur für gewerbliche Unternehmen.

Die zweite Möglichkeit ergibt sich zum Jahr 2006. Dann kann man die zwischen Stadt und Hansewasser schlampig ausgearbeiteten Verträge erstmals kündigen. Das wäre sinnvoll. Denn wir meinen, nachdem wir diesen öffentlich ja nicht bekannten Vertrag bewertet haben, dass er die Pflichten und Risiken zu Ungunsten der Stadt auslegt.

In einem Gutachten kritisieren Sie unter anderem 19,6 Prozent Eigenkapitalrendite für die privaten Anteilseigner. Insgesamt beziffern Sie den Gewinn für die privaten Anteilseigner auf rund 20 Millionen Euro pro Jahr.

Ja, das geht aus den Geschäftsberichten der vergangenen zwei Jahre hervor. Von solchen Bedingungen träumen andere private Unternehmen: Im Windschatten eines öffentlichen Monopols eine Umsatzrendite von 24 Prozent und fast 20 Prozent Eigenkapitalrendite zu erzielen. Wir meinen, die Verträge müssen neu ausgehandelt werden. Das sollte man jetzt einleiten.

Konkret – was bringt das Verbrauchern?

Das ist Verhandlungssache – und lässt sich noch nicht in Cent ausdrücken. Aber wenn man wirklich Gebühren senken will, muss man den Vertrag mindestens neu verhandeln.

Warum verfolgt der Senat das bislang nicht?

Der Regierung ging es bisher vor allem um Haushaltsentlastung durch Privatisierungserlöse. Gebührensenkung für alle hat dort niemand im Blick. Schlimmer noch: Bei der jetzigen erneuten Privatisierungsdebatte geht es für die privaten Versorgungsunternehmen um weitreichende Fragen: Sie wollen sich im Entsorgungsmarkt weiter voranpirschen und die Bedingungen zu ihren Gunsten gestalten. Wenn Bremen die Aufgabe der Abwasserentsorgung völlig auf einen privaten Entsorger überträgt, würde die öffentlich rechtliche Beseitigungspflicht abgeschafft. Das könnte dazu führen, dass die Aufgabe der Abwasserversorgung auch in anderen Kommunen – im niedersächsischen Umland beispielsweise – mittelfristig steuerpflichtig wird. Die Verbraucher werden dafür zahlen. Mit dieser kleinen Abwasser-GmbH, die Bremen gründen will, könnte die Steuerpflicht in allen bundesdeutschen Entsorgungsbetrieben eintreten. Gewinner wäre nur der Bund, wegen der Umsatz-Steuereinnahmen. Bremen muss sich fragen, ob es so isoliert vorgehen will – zumal die Innenminister verabredet haben, dieses Thema intern abzustimmen.

Sie warnen vor der Neugründung auch, weil die Bürgerschaft ihr Recht verlieren würde, Gebühren zu gestalten.

Ja. Das zeichnet sich nach Gerichtsurteilen in den neuen Bundesländern ab. Danach müssen private Wasserentsorger auch das Recht haben, die Preise zu gestalten. Wasserrechtlich braucht man in Bremen dafür wohl eine Gesetzesänderung. Eine solche Neugründung würde nach unserer Ansicht übrigens auch die Bestandskraft der Altverträge zwischen Stadt und Hansewasser in Frage stellen. Wir meinen, dass der Senat diese Fragen nicht ausreichend geklärt hat.

Sie waren schon gegen die Privatisierung des BEB-Abwasserbereichs 1998. Vergeblich. Jetzt warnen Sie wieder vor einer weiteren GmbH-Gründung.

Ach, Rechtsformen betrachte ich völlig neutral. Wenn der Wandel einer Rechtsform sich eignet, ein Problem zu lösen, ist das gut. Mein Problem 1998 und auch jetzt ist, dass hier eine sehr einseitige Interessenwahrnehmung eine Rolle spielt.

Fragen: Eva Rhode